■ Wer darf einsteigen ins gemeinsame Währungsboot?: Außenpolitik à la Theo Waigel
Der Paukenschlag hat eine Vorgeschichte. Seit Wochen trommelt Theo Waigel gegen die Währungsunion. Bei jeder Gelegenheit weist er warnend darauf hin, daß die strengen Kriterien, die von den Teilnehmerländern erfüllt werden müssen, nur bis zum Eintritt in die gemeinsame Eurowährung gelten. 1997 wird anhand der Inflationsraten und der Staatsverschuldung entschieden, wer mitmachen darf und wer nicht.
Im Maastrichter Vertrag ist vergessen worden, auch an die Zeit danach zu denken. Waigel fürchtet deshalb, daß Länder wie Italien oder Spanien ihre Inflationsraten und ihre Staatsverschuldung so manipulieren, daß diese 1997 kurz die geforderten Werte erreichen und danach gleich wieder ansteigen. Kurz: daß diese Länder bei den Staatsausgaben bis 1997 die Luft anhalten – um danach um so tiefer durchzuatmen. Daß der Theo aus Bayern ausgerechnet jetzt auf den Tisch haut und das EG-Gründungsmitglied Italien aus dem Kandidatenkreis für die Währungsunion ausschließt, ist kein Zufall. Auch kein Versehen. Die nachgeschobene Rechtfertigung, die Einschätzung sei nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen, kann man locker vergessen. Unmittelbar vor dem informellen EU-Gipfel in Mallorca hat der deutsche Finanzminister erreicht, was er wollte: Die Staats- und Regierungschefs müssen bei ihrem Nachdenk-Wochenende über die Zukunft der Europäischen Union erst einmal übers Geld reden.
Allerdings dürfte sich Waigel das etwas anders vorgestellt haben. Denn jetzt muß Kohl alles vermeiden, was als Bestätigung der Waigelschen Einschätzung gewertet werden könnte. Er muß nicht nur die aufgebrachten Partner besänftigen, mit denen er eigentlich über anderes reden wollte. Er muß auch den Währungsmarkt beruhigen. Die prompte Abwertung von Lira und Dollar bringt für die deutsche Exportindustrie nur Nachteile.
Und genau das wirft eine uralte Frage wieder auf, die lange Zeit vergessen war: Wie hart soll die gemeinsame Währung wirklich sein? Waigels Credo, so hart wie möglich, kann so wohl nicht mehr stehenbleiben. Spätestens in den nächsten Wochen werden die deutschen Exportfirmen die Härte der Deutschen Mark beklagen. Eigentlich müßte jetzt das Nachdenken beginnen, ob eine niedrige Inflationsraten wirklich alles ist. Theo Waigel hat ein schönes Eigentor geschossen. Alois Berger, z. Zt. Mallorca
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