piwik no script img

■ Wenn sich die FDP nicht erneuert, ist sie bald vergessenEin trauriges Kapitel

Sollte die FDP bald dahinscheiden, wäre ihr Erbe gerecht zu verteilen. Schröder-SPD und CDU integrieren die neoliberale Wirtschaftspolitik. Die freiheitlichen Bürgerrechte und der Kampf gegen die Diskriminierung von Minderheiten werden endgültig den Grünen zugeschlagen. „Republikaner“ und DVU übernehmen den nationalliberalen Stahlhelm-Flügel. Und schon ist die FDP vergessen. Im Osten Deutschlands ist sie sowieso nur eine Splitterpartei. Bei der Berlin-Wahl schnitt sie im Ostteil kaum besser ab als die Kreuzberger Patrioten im Westen.

Aber: Totgesagte leben länger. Ein besonders zähes Exemplar dieser Spezies ist der FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt. Er behauptet mit vielen großen Messern im Rücken immer noch: „Ich bleibe Vorsitzender. Mir macht es Spaß.“ Aber Spaß beiseite, eigentlich ist das Kapitel FDP ein todtrauriges. Da rackern sich solch ehrenwerte Gestalten wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Irmgard Schwaetzer für mehr Bürgerrechte ab. Doch die Mehrheit der Bundestagsfraktion beschränkt sich darauf, die Regierungspolitik zu kritisieren, ohne eigene Konzepte dagegenzusetzen. Und Generalsekretär Guido Westerwelle punktet mit dummen Sprüchen: „Die Leute haben die Nase voll davon, dass sich andere mit ihren Steuergeldern einen lauen Lenz machen.“

Da ist es nicht mehr weit bis zu Jörg Haider, der mit ähnlichen Parolen in Österreich auf 27,2 Prozent kam. Westerwelle wird diesen Vergleich natürlich weit von sich weisen, aber hinter vorgehaltener Hand sagen immer mehr Liberale, dass Haider mit seiner Politik immerhin erfolgreich war – trotz seiner unappetitlichen ausländerfeindlichen Parolen.

So wie es aussieht, gibt es für die FDP nur noch drei Möglichkeiten. Entweder ihre einzige Funktion bestand darin, als Koalitionspartner von CDU oder SPD an die Macht zu gelangen – dann ist sie in der Opposition obsolet. Oder: Die Partei schafft die inhaltliche und personelle Erneurung. Das bedeutete, dass sich die Jungen mit ihren zukunftsorientierten Konzepten etwa zur Rentenreform durchsetzen und zudem der Bürgerrechtsflügel wieder stärker wird. Leider ist niemand in Sicht, der diese „junge FDP“ nach außen repräsentieren könnte. Der aalglatte, neoliberale Westerwelle kommt dafür kaum in Frage. Die gefährlichste Möglichkeit wäre der Ruck nach rechts. Mit nationalliberalem Populismus à la Jörg Haider ließen sich auch in Deutschland Stimmen gewinnen. Hoffentlich widerstehen die Liberalen dieser Versuchung. Tina Stadlmayer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen