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Wenn in einer Region die Einstellung von Geflüchteten subventioniert würde, dann käme ganz sicher Neid auf. Neid kommt eigentlich immer aufDie Lieblingsemotion der Deutschen

Foto: Lou Probsthayn

Fremd und befremdlich

KATRIN SEDDIG

Sollen Lohnzuschüsse gezahlt werden, um die Einstellung von Flüchtlingen zu unterstützen? Dennis Snower, Professor für theoretische Volkswirtschaftslehre an der Christian-Albrecht-Universität in Kiel und Präsident der Universität für Weltwirtschaft, schlägt das vor.

Es gibt solche Unternehmer, die bemühen sich, ihren Teil Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen. Drei Viertel der Unternehmen in Schleswig-Holstein und Hamburg sind nach einer Umfrage des Unternehmerverbandes Nord bereit, Asylsuchende als Arbeitskräfte einzustellen oder auszubilden. Fünf Prozent immerhin hätten dies auch bereits getan. Ist es dann trotzdem notwendig, die Einstellung von Flüchtlingen zu subventionieren? (Und will ich noch „Flüchtling“ sagen, seit „Flüchtling“ zum Wort des Jahres gewählt wurde? Sage ich besser „Geflüchtete“? Oder „Refugees“? „Asylsuchende?“ Ist das „-ling“ tatsächlich abwertend?)

Subventionen sind Einflussnahmen des Staates im Sinne eines politischen Zieles. Wirtschaft kann man nur marktpolitisch steuern, in diesem Fall lockt die Politik mit günstigen Arbeitskräften. Natürlich gäbe es Ärger, denn der Deutsche fühlt immer sehr fürsorglich gegenüber sozial Schwachen, wenn er dafür anderen, insbesondere nichtdeutschen Schwachen, etwas nicht gönnen kann. Wenn in einer Region die Einstellung von Geflüchteten oder Asylsuchenden subventioniert würde, dann käme ganz sicher Neid auf, Neid kommt eigentlich immer auf, Neid ist die Lieblingsemotion der sich benachteiligt Fühlenden.

Dass die (befristete) Bezuschussung der Löhne zu einer vermehrten Einstellung von Asylsuchenden führt, ist gar nicht unwahrscheinlich, insbesondere in Berufen, wo der Mindestlohn erst kürzlich eingeführt wurde, besteht da sicher Interesse. In Hamburg soll aus diesem Grund der Beruf des Taxifahrers stark zurückgegangen sein. Hier könnten die Asylsuchenden also Lücken füllen, indem sie nur so wenig kosteten, wie die Entlassenen vor ihnen, die zu teuer waren.

Aber ich bin zynisch und das hilft nicht weiter. Manchmal muss man auch einfach praktisch denken, denn in der Wirtschaftswelt hilft nur Ökonomie und nicht Gefühl. Vielleicht ist es wirklich richtig, den Asylsuchenden den Einstieg in die Arbeitswelt auf diese Art zu erleichtern. Denn wenn sie erst mal drin sind, dann können sie sich beweisen, dann haben sie das, was man eine Chance nennt. Ich nehme an, dass unter den vielen jungen zum Beispiel aus Syrien geflohenen Menschen einige sind, die klug und fleißig sind. Ich nehme an, dass unter ihnen auch viele Gebildete sind, Belastbare, mit einem starken Willen, die neu losstarten wollen. Diese Menschen werden, wenn sie erst mal eine Chance bekommen, vermutlich schnell vom Arbeitsmarkt aufgesogen werden. Wer gesund, anpassungsfähig, qualifiziert und leistungsfähig ist, der wird von der deutschen Wirtschaft absorbiert werden, dem wird von dieser Seite her auch gar nicht so viel Rassismus entgegenschlagen.

Kapitalismus ist nicht rassistisch, nur profitorientiert, in diesem Sinne ist die Maßnahme sicher vernünftig. Wer auf dem Arbeitsmarkt untergebracht ist, der ist weniger anfällig für Krankheit und für Wut, der kostet am Ende weniger, und dafür würde sich eine kleine Anfangsinvestition sicher lohnen. Schwierig wird es nur für die anderen, die Alten und die Kranken, die vom Krieg Traumatisierten, die nur deshalb und nur für den Zeitraum eingestellt werden würden, wo sie weniger kosteten, so wie einst die hoffnungsvollen Ein-Euro-Jobber. An ihnen wird deutlich werden, dass Subventionen Krücken sind, die nur mangelhaft stützen, in einer nüchtern-kalten Wirtschaftswelt.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Eine Nacht und alles“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

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