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Wenn ein irrationaler Albtraum wahr wird

Aufgeregt wuchtet der Mann seine großen Taschen auf die Bank am Bahnsteig im Berliner Ostbahnhof. Es ist eigentlich noch zu früh für Unterhaltungen mit Unbekannten, aber der vielleicht 30-Jährige muss loswerden, was er gerade erlebt hat. „Ich habe festgesteckt, in der Rolltreppe“, sagt er fassungslos und sucht Augenkontakt. „Mit meinem Schnürsenkel! Ich konnte nicht weg.“ Er zeigt auf seine weißen Sneaker. „Mit meinem Feuerzeug habe ich mich befreit und ein Stück abgebrannt.“ Tatsächlich ist ein Schnürsenkel am Ende bräunlich angekokelt. „Zum Glück ist ein Mann da gewesen, der den Notfallknopf gedrückt und die Rolltreppe angehalten hat.“

Auch mein Herz schlägt schneller. Ich bin die, die auch die längsten Treppen lieber zu Fuß hinaufläuft. Denn da war immer diese diffuse Angst, dass ich mit dem Schnürband hängenbleiben und von der Rolltreppe in den schmalen Schlitz hineingesogen und komplett verschwinden könnte … Ich hielt sie für irrational. Hier habe ich nun gleichzeitig die Bestätigung – und die Lösung. Vielleicht muss ich nur anfangen, ein Feuerzeug mit mir herumzutragen.

Der Berliner Ostbahnhof

ist ein Fern- und Regionalbahnhof im Ortsteil Friedrichshain, hieß früher Frankfurter, dann ­Schlesischer, schließlich Ost- und dann Haupt- und seit 1998 wieder Ostbahnhof.

Uta Schleiermacher

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