: Wenn ein Kindmann Vater wird
In „Beim ersten Mal“ von Judd Apatow ist sogar eine Geburt komisch.
„Viele Amerikaner bleiben so lange infantil, bis sie senil sind“ hat einmal ein kluger Amerikaner gesagt, und Judd Apatow hat über dieses Phänomen inzwischen zwei zugleich kluge und komische Filme gemacht. Schon anhand der Titel leuchtet ein, dass „Beim ersten Mal“ wenn schon keine Fortsetzung, so doch eine Weiterführung von „Jungfrau (40), männlich, sucht...“ ist. Wieder erlebt ein ewiges Kind in Männergestalt ein raues Erwachen, und natürlich folgt auf den ersten Sex das erste Kind. Dem bequemen Lebenskünstler Ben ist es recht gut gelungen, nicht erwachsen zu werden, bis er auf einer Party Alison kennen lernt, sie betrunken abschleppt und schwängert. Die hat gerade die Chance bekommen, als Fernsehmoderatorin Karriere zu machen, und ein Kind passt überhaupt nicht in ihre Lebensplanung, Aber sie entscheidet sich für das Baby, erzählt Ben, der sich natürlich kaum noch an die Nacht erinnern kann, von seiner Vaterschaft und die beiden raufen sich in den Monaten bis zu Geburt zusammen.
Für viele Frauen ist Alisons Entscheidung schwer nachzuvollziehen: Warum sollte sich eine erfolgreiche und attraktive Frau mit solch einem Tölpel einlassen? Der Versorger in der zukünftige Familie wird doch eindeutig sie sein, und in einer Familie, in der auch der Vater ein Kind geblieben ist, ist sie auch eine alleinerziehende Mutter. Judd Apatow erzählt den Film eindeutig aus einer männlichen Perspektive, und natürlich steckt da auch viel Wunschdenken dahinter, wenn der Held solch eine schöne Frau bekommt, ohne sich im mindesten darum zu bemühen. Aber der Regisseur und Drehbuchautor hat seine Mitmenschen genau beobachtet, und so entsteht der humane und oft auch anrührende Humor des Films immer aus der genauen Kenntnis um die Charaktere und Situationen. Und dabei können sich sowohl Frauen wie auch Männer mit einem leichten Erschrecken wiedererkennen, um dann nur um so lauter loszulachen. So etwa in der Szene, in der Ben und Allison nicht in eine Bar eingelassen werden, weil er „zu alt“ und sie „zu schwanger“ ist. Der afroamerikanische Türsteher ist dabei nicht etwa grob und aggressiv, sondern hält statt dessen ein kleine Rede darüber, dass er auch nur eine geringe Quote an schwarzen Gästen in den Club lassen darf.
Bei solchen Szenen merkt man, dass es Apatow nicht nur um die Lacher geht. In seinem Film stecken offensichtlich viele eigene Erfahrungen, und auch wenn er mit einem liebevollen Blick inszeniert hat, überdeckt er die Schwächen der einzelnen Filmfiguren nie mit Sentimentalitäten oder konstruierten Pointen.
So sind Bens Freunde, mit denen er in einem Paradies für kleine Jungs lebt, das aus Faulheit, Bier, Internet und dummen Streichen besteht, mit einer gnadenlosen Treffsicherheit gezeichnet. Nur einer, der auch mal so gelebt hat, kann solch eine Wohngemeinschaft so zeigen, dass man den Mief fast zu riechen glaubt. Auch an der Auswahl der Schauspieler kann man erkennen, dass Apatow hier keinen reinen Genrefilm gemacht hat, in dem die Menschen ja durchweg attraktiver und prägnanter aussehen als in der Realität. Hier wird Katherine Heigl als die schwangere Alison nicht schöner sondern dicker, und Seth Rogen ist als molliger, unrasierter und drahthaariger Ben alles andere als der typische Held einer romantischen Komödie. Apatows Humor ist oft deftig, aber nur ein wirklich guter Komödienmacher kann mit dem Wort Bindehautentzündung solch ein Gelächter auslösen. Sogar die Geburt ist komisch.
Wilfried Hippen