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Archiv-Artikel

Wenn der Mob regiert

Von HH

Das Wort „Mobbing“ (Englisch: to mob = anpöbeln, mobbish = pöbelhaft) entstammt der Arbeitswissenschaft und wurde daher auch von ihr definiert. So hat das Bundesarbeitsgericht 1997 festgestellt: „Mobbing ist das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte.“ (BAG, Beschluss vom 15. 1. 1997 – 7 ABR 14/96)

Allgemein beschreibt der Begriff des Mobbings eine konfliktbelastete Situation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und über einen längeren Zeitraum mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet (Martin Wolmerath: „Mobbing im Betrieb. Rechtsansprüche und deren Durchsetzbarkeit“. Nomos Verlagsgesellschaft, 2004)

Ob ein Fall von Mobbing vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. In Deutschland existieren keine spezialgesetzlichen „Mobbing-Vorschriften“ und kein besonderes „Anti-Mobbing-Gesetz“. Auch im Straf-, Arbeits- oder Zivilrecht gibt es bislang keinen eigenen Tatbestand Mobbing. Es ist aber gegebenenfalls möglich, wegen Beleidigung, Verleumdung oder übler Nachrede strafrechtliche Schritte einzuleiten, möglicherweise auch wegen Körperverletzung. (www.mobbing-hilfe-recht.de)

Die erste repräsentative deutsche Studie zum Thema Mobbing wurde 2002 von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund unter dem Titel „Der Mobbing-Report“ veröffentlicht (www.baua.de/fors/fb02/fb951.htm). Danach liegt Deutschland mit einer Mobbingquote, die das Verhältnis der Gemobbten zur Gesamtzahl der Erwerbstätigen anzeigt, von 2,7 Prozent im Mittelfeld der europäischen Staaten. Rechnet man die Quote auf die Dauer eines Erwerbslebens hoch, so wird etwa jede neunte Person im erwerbsfähigen Alter mindestens einmal im Verlauf des Arbeitslebens systematisch gemobbt.

Festgestellt wurde, dass es keinen Bereich gibt, der als „mobbingfreie“ Zone gelten könnte. Vielmehr zieht sich das Phänomen quer durch alle Berufsgruppen, Branchen und Betriebsgößen sowie Hierarchiestufen und Tätigkeitsniveaus. Gleichwohl konnten bestimmte Merkmale identifiziert werden, die, vor allem miteinander kombiniert, die Gefahr, von Mobbing betroffen zu werden, deutlich erhöhen. So liegt das Mobbingrisiko für Frauen um 75 Prozent höher als das von Männern. Die am stärksten betroffenen Altersgruppen sind die unter 25-Jährigen mit 3,7 Prozent (und unter ihnen vor allem die Auszubildenden) sowie die 55-Jährigen und älteren Mitarbeiter mit 2,9 Prozent.

Bei Beschäftigten, die zur Zielscheibe von Schikanen, Intrigen und Ausgrenzung werden, zeigen sich zu 98,7 Prozent Auswirkungen auf das Arbeits- und Leistungsverhalten (Demotivation, Misstrauen, Nervosität, Verunsicherungen, sozialer Rückzug). 43,9 Prozent erkrankten in Folge des Mobbings, davon wiederum fast die Hälfte für mehr als sechs Wochen. Arbeitsrechtliche Schritte in Form von Versetzungen und Kündigungen vonseiten des Arbeitgebers treffen deutlich häufiger die Betroffenen als die Verursacher des Mobbings.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Lehrer gegen Mobbing e.V. bietet neben Hilfe zur Selbsthilfe, Beratung und Tagungen auf ihren Webseiten (www.bl-mobbing.de) eine umfangreiche Adressensammlung zu Beratungsstellen und weiterführende Infoseiten zum Thema Mobbing in und an Schulen. Welchen psychischen Belastungen der Lehrerberuf ausgesetzt ist, erörtert Wolfgang Hagemann in seinem Buch: „Burn-out bei Lehrern. Ursachen, Hilfen, Therapien“ (C. H. Beck, München, 2003). HH