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Wenn Hoppes Philosophen Könige wären

■ Über die Zeit, ihr unbemerktes In-die-Zukunft-Fortschleichen sowie ihre sonstigen Verkantungen und Wendungen: Natias Neutert, Lisa Politt und Nils Loenicker

Manchmal, da bleibt nur noch Verzweiflung. Hoffnungslosigkeit angesichts der erwiesenen Unfähigkeit des Menschen, die Zeit ein ganz klein wenig zusammenzudrücken, ihr Fortschreiten nur um ein winziges Quäntchen aufzuhalten. Gar zu gern würde man mal ein bisschen in ihr vorwärts reisen (rückwärts, naja, das klappt erinnerungsweise ja schon ganz gut). So gern würde man kurzfristig um wenige, aber entscheidende Stunden in die nächste Querschnitt-Woche hinein verschobene Premieren wie geplant hier und jetzt ankündigen.

Allein es soll nicht sein: Fest gemeißelt ins Kalendarium sind Daten und Stunden, ratlos blickt der geneigte Betrachter auf die allplötzlich verödete Landschaft. Ratlos verharrt aber natürlich nicht der geneigte Hamburger Theatergänger, dem nur bleibt, zu schauen, was diese unsere Stadt denn noch so alles bietet: Natias Neutert zum Beispiel, der mit seiner Perfor-mance im hiesigen Literaturhaus gastieren wird, der jenes eben beklagte Zeitvoranwallen zu erforschen sucht: Zwischen Zeit und Raum trachtet er sich zu stellen, um vielleicht das, was unser aller Begrenzung ausmacht, im philosophischen cross-over in den Griff zu bekommen.

Jedoch – Neutert nimmt sich kein Faustsches Pult, unternimmt auch keine stoa-artigen Wandelspaziergänge in irgendwelchen heiligen Säulenhallen. Er nimmt sich vielmehr Beispiele, wo er sie finden mag – in Literatur, Kunst, Naturwissenschaft, zur Not auch in der Architektur, wenn es ihm genehm ist. All dies bindet er s zu einer großen – naja, vielleicht nicht gerade weltumfassenden – Aussage über das zusammen, was er persönlich unter Zeit versteht. Ob und wie er unter ihr leidet, wird man bei der Gelegenheit vermutlich auch erfahren. Zu sehen und atemlos zu verfolgen ist all dies am heutigen Freitag um 20 Uhr im Literaturhaus.

Was es noch in der frühlingskühlen Hansestadt zu erleben gibt? Naja, zum Beispiel die zum zehnjährigen Jubiläum veranstaltete Vorstellung von Herrchens Frauchen, diesmal in der Agma-Zeitbühne. Die alten Bekannten, Lisa Politt und Gunter Schmidt, werden zu diesem Behufe doch tatsächlich ihr erstes Stück, entstanden vor 16 Jahren, nochmals zum Besten geben. Der Titel: Fühlt euch wie zuhause. Entstanden ist das Zweierbeziehungs-Komik-Gequatsche schon Ende 1984, und wenn die damals real streitend rausgerannten Pärchen nicht gestorben sind, dann leben sie vielleicht noch heute. Ob im Streit, vereint oder endgültig getrennt, kann man dann ja bei der nächsten Volkszählung feststellen. Vorstellungen sind vom 3. bis zum 8. April jeweils um 20.30 Uhr auf der Agma-Zeitbühne.

Auch sehr erhellend: das neue Programm in Alma Hoppes Lustspielhaus, schlicht, aber ergreifend Einfach Super betitelt, unter der Regie des ewigwährenden Henning Venske einstudiert. Die Inhalte, präsentiert von J.P. Petersen und Nils Loenicker: Abhandlungen über die nörgelnde Dienstleis-tungsgesellschaft, über die Nichterfüllung so genannter Grundbedürfnisse durch den allumfassenden Konsumsupermarkt Leben. In welchen Rollen sie dies und anderweitig Gedankenreiches von sich geben? Nun, einer gibt einen Philosphie-Dozenten, auf den – wie ja schon zu Platons Zeiten – sowieso keiner hört. Sein Kumpan: ein Fernseh-Seriendarsteller, den keiner mehr sehen will. In welchem Grad die Resultate philosophisch sind, wird man dann wohl selber erkunden müssen... ps

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