■ Wenn HIV-positive Männer Kinder haben möchten:: Spezialreinigung für den Samen
Hannover (taz) – Luca ist Bluter und HIV-positiv. Wenn er mit seiner HIV-negativen Frau Anna schläft, benutzt er ein Kondom. Trotzdem haben die beiden Biologen eine einjährige Tochter. Das Kind ist gesund. Über die eine Technik, mit deren Hilfe HIV-positive Männer mit geringem Risiko für ihre Partnerin Väter werden können, berichteten jetzt Mailänder Reproduktionsmediziner in der Zeitschrift Lancet (Bd.340, S.1317-1319).
Der Samenerguß positiver Männer enthält immer Aids-Viren. Das Risiko der Übertragung durch ungeschützten Geschlechtsverkehr liegt in den ersten Jahren der Erkrankung bei ca. 10 Prozent. Im Endstadium von Aids steigt die Ansteckungsgefahr bei mehr als 40 Prozent. Das Virus sitzt vorwiegend in und auf den Abwehrzellen, die den Samen begleiten. Es gibt außerdem Viren, die frei in der Samenflüssigkeit herumschwimmen. In den Samenzellen selbst scheint es sich nur sehr selten aufzuhalten.
Für eine Befruchtung ohne Risiko muß man die reinen Samenfäden von ihrem infektiösen Begleitmilieu isolieren. Im Reagenzglas wird der Samen zunächst mit einer Waschlösung verdünnt und in der Zentrifuge abgeschleudert. Die überstehende Flüssigkeit wird abgesaugt und verworfen. Nach mehreren Waschgängen wird eine Nährlösung ins Reagenzglas gegeben und 60 Minuten abgewartet, bis sich die Samenfädchen von der Schleudertour erholt haben und aus dem Bodensatz nach oben freischwimmen können. Bei diesem letzten Trennungsvorgang bleiben nicht nur die infektiösen Abwehrzellen am Glasboden kleben, sondern auch einzelne kränkelnde HIV-befallene Samenzellen.
Vor der Befruchtung wird schließlich getestet, ob der Samen noch Viren enthält. Die Mailänder Frauenärzte fanden bei ihren Versuchen keine HIV-Teilchen mehr und behandelten 29 Paare, von denen zehn gesunde Kinder bekamen. Sämtliche Frauen blieben HIV-negativ.
Eventuell sind diese Frauen aber nur mit Glück einer Aids-Infektion entkommen, da diese Methode, mit der die italienischen Mediziner den gewonnenen Samen auf Keimfreiheit überprüften, längst überholt ist. Während sie das Virus noch mit Hilfe von immunologischen Reaktionen und fluoreszierenden Farbstoffen sichtbar zu machen versuchten, benutzen Bonner Virologen seit Jahren ein gentechnisches Nachweisverfahren, die Polymerase-Kettenreaktion. Diese Methode weist wesentlich geringere Virusmengen nach als die Immunfluoreszenz. Außerdem lassen sich auf diese Weise Viren auch innerhalb der Zellen aufspüren, während die Mailänder Ärzte die Viren nur außerhalb der Zelle sehen konnten.
Selbst in der Gentechnik bleibt noch ein winziges Restrisiko, das der Gynäkologe Klaus Dietrich von der Universität Bonn mit einer Infektion auf eine Million Befruchtungsversuche schätzt. Die Bonner sind auch insofern vorsichtiger, als sie die Behandlung nur mit symptomlosen HIV-positiven Männern durchführen, deren Samenflüssigkeit weniger Viren enthält als die von Aids-Kranken in fortgeschrittenem Stadium. In Bonn sind inzwischen fünf gesunde Kinder geboren, auch hier hat sich keine Mutter angesteckt.
Neben den medizinischen gibt es auch noch soziale Gesichtspunkte, die als Auswahlkriterien für eine Behandlung gelten. Dietrich fordert, „daß die Patienten sozial integriert sind“. Ob damit gemeint ist, daß er nur einen etablierten Bluterkranken für behandlungswürdig hält, bleibt offen. Vermutlich gibt es zahlreiche HIV-positive Männer, deren „soziale Integration“ von Ärzten – je nach ihrem Standpunkt – unterschiedlich beurteilt wird. Thomas Hirsch
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