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Weniger Rabatt für die IndustrieSchäuble entdeckt die Ökosteuer

Im selbst auferlegten Sparzwang entdeckt Finanzminister Schäuble die Ökosteuer. Nun will er energieintensive Unternehmen stärker belasten.

Wolfgang Schäuble will auf "Deutschlands Hassabgabe Nummer 1" nicht verzichten. Bild: reuters

Auf Linie gebracht hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble seine Leute noch nicht. Am Dienstag wurde der Gesetzentwurf bekannt, mit dem der CDU-Politiker energieintensiven Unternehmen Vergünstigungen bei der Ökosteuer kappen will. Der ist strenger ausgefallen als erwartet, trotz der Versuche von FDP-Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, seine Klientel zu schützen. Am Mittwoch aber schoss nun mit Leo Dautzenberg wieder ein Unionsmann quer. Der finanzpolitische Sprecher der Fraktion bezeichnete Schäubles Vorlage als "Diskussionsentwurf", das letzte Wort sei noch nicht gesprochen.

Die einst von Rot-Grün eingeführte Ökosteuer gilt in der Wirtschaft als "Deutschlands Hassabgabe Nummer 1". Aber auch die schwarz-gelbe Regierung kann es sich nicht leisten, auf sie zu verzichten. Die Abgabe auf den Energieverbrauch bringt jährlich 20 Milliarden Euro, das Gros davon fließt in die Rentenkasse und macht Arbeit billiger.

Dass sie ausgerechnet jetzt überarbeitet werden soll, gehört zum im Juni verabredeten Sparpaket. Demnach sollen nicht nur Sozialausgaben gestrichen werden. Unter dem Punkt: "Subventionsabbau und ökologische Neujustierung" ist auch die "Abschaffung von Mitnahmeeffekten bei Energiesteuervergünstigungen" geplant.

Bislang zahlen Autofahrer, Mieter und Eigenheimbesitzer die Ökosteuer in voller Höhe. Hersteller von Glas, Keramik, Zement sind von ihr befreit. Ebenso alle, die Baustoffe und Düngemittel produzieren und die Metall verarbeitende Industrie. Auch diese Schonung der Wirtschaft stammt noch von Rot-Grün. Sie sollte Nachteile im internationalen Wettbewerb verhindern.

Damit nicht genug: Dem sonstigen produzierenden Gewerbe, aber auch den Bauern, Forstbetrieben und Behindertenwerkstätten erlässt der Fiskus pauschal 40 Prozent des regulären Steuersatzes auf Strom, Heizöl und Gas. Zudem sorgt der sogenannte Spitzenausgleich dafür, dass die Betriebe gezahlte Ökosteuern fast vollständig zurückerhalten - vorausgesetzt, die Belastung übersteigt die Entlastung bei den Sozialversicherungsbeiträgen um 500 Euro.

Unterm Strich gehen dem Staat so jedes Jahr satte 5,8 Milliarden Euro Einnahmen verloren. Diese Summe will Schäuble mit dem neuen Gesetz 2011 um etwa 1 Milliarde Euro und 2012 um 1,5 Milliarden verringern. Wichtigste Änderung dazu: Große Energieverbraucher dürfen ihre Ökosteuern im nächsten Jahr um höchstens 80 Prozent und im Jahr darauf nur noch um 60 Prozent drücken.

Zudem soll es verboten werden, die Ökosteuerbelastung zum Beispiel durch sogenanntes Contracting zu verringern. Dabei übernehmen Unternehmen auf dem Papier die Energieversorgung für andere Firmen, die nicht zum produzierenden Gewerbe zählen und somit selbst nicht von der Ökosteuer befreit werden können. Das eingesparte Geld teilen sich die Partner.

Die Wirtschaftslobby ist "entsetzt und fassungslos". So formuliert es jedenfalls Werner Schnappauf, Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Bei den Rabatten handle es sich "um den Ausgleich von Nachteilen gegenüber anderen Standorten". Der Plan "gefährdet die Existenz wichtiger Industrien am Standort Deutschland". Ähnlich der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff: Die Stahlindustrie, so meinte er, brauche keine Be-, sondern Entlastungen.

Damian Ludewig ist Geschäftsführer vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft und Anhänger der Ökosteuer. Er sagt: "Tatsächlich ist ökologisch nicht viel gewonnen, wenn energieintensive Unternehmen abwandern." Aber er rechnet damit auch nicht: "Keiner wird in China Zement herstellen und dann nach Deutschland importieren."

Brüderle aber ist alarmiert. Für manche "Firmen mit hohem Stromverbrauch" würde sich die Abgabe verzehnfachen, heißt es aus seinem Haus. Die Mitarbeiter im Finanzministerium sehen das gelassen: Es sei für ein milliardenschweres Unternehmen locker zu verkraften, wenn die Ökosteuer statt 300.000 Euro künftig 3 Millionen Euro betrage. Der Entwurf aus dem Finanzministerium muss noch mit den anderen Ressorts abgestimmt werden.

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5 Kommentare

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  • S
    Silvia

    Ein bisschen seriöse Recherche zu den tatsächlichen Auswirkungen wäre nicht schlecht. Ein Mittelständler mit 50-100 Mitarbeitern und durchschnittlich energieintensiver Produktion zahlt pro Jahr schnell einmal 300.000 Euro Strom- und Energiesteuern. Wenn sich das verzehnfacht, ist das nicht so einfach wegzustecken. Von wegen milliardenschwere Konzerne ... Klischee-Quatsch.

    Warum die Rentenlüge-Abgabe immer noch Ökosteuer heißt, weiß ich auch nicht. Na ja, ein paar glauben anscheinend immer noch, das hätte was mit Umweltschutz zu tun.

  • NN
    Nicolas Neuss

    Wenn die Wirtschaftslobby "entsetzt und fassungslos" ist, so ist die Maßnahme genau richtig. Anstatt mit gigantischen Summen anderen Euroländern aus der Patsche helfen zu müssen, in die sie durch unsere viel zu exportorientierte Industrie erst gekommen sind, ist es doch viel sinnvoller, die Subventionierung unserer Industrie erheblich zurückzufahren - positive Effekte europaweit (weniger Druck auf andere Volkswirtschaften) und intern (weniger Schuldenaufnahme) garantiert.

  • DL
    Dr. Ludwig Paul Häußner

    Der Staat als Dealer?

     

     

    Die Ökosteuer ist zwar von Professor Hans-Christoph Binswanger, den ich sehr schätze, und von rot-grün gut gemeint aber dennoch ordnungspolitisch so nicht sinnvoll.

     

    Die Ökosteuer führt im Wertschöpfungsstrom zwar zur wünschenswerten Verteuerung, kann allerdings von den betreffenden Unternehmen nicht – in Gänze – an die Kunden weitergereicht werden. Genau genommen müsste die Ökosteuer wie die MwSt aufgebaut sein oder in eine Ökoabgabe mit Ökobonus pro Bürgerin weiter entwickelt werden. Während Steuern als Einnahmen in den jeweiligen öffentlichen Haushalt eingehen sind Abgaben zweckgebunden: eine Ökoabgabe hätten einen doppelten Zweck: sparsamer Umgang mit Naturgütern und Rückvergütung der daraus erzielten Entgelte pro BürgerIn (z. B. über die lebenslange, persönliche Steueridentifikationsnummer).

     

    Vielleicht interessiert Sie die taz-LeserInnen die Publikation „Klimaschutz und Ernährungssicherheit – Ein ordnungspolitischer Ansatz“ mit dem darin dargestellten Drei-Ebenen-Modell zur Umwandlung der Ökosteuer zu Ökoabgaben und einem Ökobonus pro BürgerIn?

     

    http://digbib.ubka.uni-karlsruhe.de/volltexte/1000008914

     

    Der Staat sollte nicht durch Umweltverschmutzung seine Kassen füllen, sondern den Ordnungsrahmen für eine nachhaltig ökosoziale Marktwirtschaft gestalten.

  • V
    vic

    "Die Wirtschaftslobby ist "entsetzt und fassungslos".

     

    Das Gefühl kenne ich.

    Auf dieser Position ist mir Schäuble deutlich symphatischer als zuvor.

    Zu Brüderle bleibt zu sagen: Der entwickelt sich zu meinem persönlichen pain in the neck.

  • R
    reblek

    "...das Gros davon fließt in die Rentenkasse und macht Arbeit billiger." Könnte es sein, dass Arbeit nie "billig" ist, weil sie geleistet werden muss, sondern "preiswert"?