: Weniger Qualität kann teurer sein
Seit dem 1. August besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Kita-Betreuung. Er geht auf Kosten von Kindern, Eltern und Betreuern, findet die SPD
Die Zahl der in Hamburger Kitas betreuten Kinder nehme zwar zu, räumt die SPD-Abgeordnete Andrea Hilgers ein. Die „Bildungsgerechtigkeit“ und die Qualität der Betreuung allerdings würden auf der Strecke bleiben, mahnt die kinderpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) „verspielt hier eine Chance“.
Seit dem 1. August haben berufstätige Eltern während ihrer Arbeitszeiten einen gesetzlichen Anspruch auf Betreuung ihrer Kinder, die unter 14 Jahre alt sind. Daneben bleibt die fünfstündige Betreuung plus Mittagessen für alle Drei- bis Sechsjährigen. Dafür gibt die Sozialbehörde rund 335 Millionen Euro aus gegenüber 296 Millionen im Jahr 2002. Die Anhebung des Etats hält Hilgers jedoch für einen Rechentrick: „Die Eltern zahlen mehr für weniger Qualität der Betreuung.“
Denn der Mehrbetrag wird einerseits aus der Erhöhung der Elternbeiträge finanziert: Sieben Millionen Euro zusätzlich zahlen sie im Jahr. Weitere 14 Millionen erhält die Behörde aus einer Anhebung der Grundsteuer, die zweckgebunden in den Kita-Etat fließt. Parallel zu diesen Mehreinnahmen von 21 Millionen wurden jedoch etwa 40 Millionen Euro eingespart: Seit Anfang vorigen Jahres gelten in den Kitas abgesenkte Standards, die zu größeren Gruppen bei weniger BetreuerInnen führten.
Nach Hilgers Rechnung stehen somit faktisch fast 20 Millionen Euro weniger zur Verfügung. Erforderlich sei jedoch eine tatsächliche Erhöhung des Kita-Etats „um fast 30 Millionen“, so die Sozialdemokratin. Denn die Anzahl der zu betreuenden Kinder nehme aufgrund des ausgeweiteten Rechtsanspruches kontinuierlich zu.
49.800 waren es im Jahr 2002, jetzt sollen es, so prophezeite Schnieber-Jastram selbst vor einem Monat, über 55.000 werden, hauptsächlich im Krippenbereich. Um die Qualität zu erhalten, die Rot-Grün vor fünf Jahren dem CDU-Senat hinterlassen hatte, sei deshalb eine Anhebung der Mittel „um rund neun Prozent“ erforderlich, meint Hilgers.
Hinzu komme der „gravierende Abbau“ der Ganztagsbetreuung für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf in sozial benachteiligten Stadtteilen. Dadurch werde, kritisiert die SPD-Abgeordnete, „der skandalöse Zusammenhang zwischen Armut und mangelnder Bildungsbeteiligung noch vergrößert“. Die Senatorin sieht das anders. Sie lasse „lieber mehr Kinder betreuen, als wenige besonders lang“, sagte Schnieber-Jastram. Das führe zu dem Effekt, „dass wir keine Kinder mehr draußen vor der Tür haben“. SVEN-MICHAEL VEIT