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Weniger Platz für Dokus im TV"Es ist ein Teufelskreis"

Durch zunehmenden Quotendruck und die ARD-Programmreform wird der Platz für Dokumentarfilmer knapp. Dabei sind deren Arbeitsbedingungen ohnehin prekär.

Die Zukunft der Dokumentation? Einer von 88 Dokumentarfilmen der HFF in der Münchner Pinakothek der Moderne. Bild: garcons manques | von susan gordanshekan, 2007 hff © 2007

Es ist eine fragwürdige Auslegung des Bildungs- und Kulturauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die sich da in der von den ARD-Intendanten beschlossenen Programmreform widerspiegelt. Fünfmal wird ab 2011 im Ersten wöchentlich getalkt, von Sonntag bis Donnerstag, weil die ARD die Qualitätsführerschaft im deutschen Fernsehen unterstreichen will - dafür fällt der Doku-Sendeplatz am Montag um 21 Uhr weg (taz vom 1./2. 12.).

"Das ist eine Katastrophe", sagt Heiner Stadler, Professor für Dokumentarfilm an der HFF in München. "Die Doku ist für das Profil des Ersten ungeheuer wichtig. Ohne sie lässt sich das Programm bald kaum noch von den Privatsendern unterscheiden." Doch nicht nur das langsame Verschwinden der Programmvielfalt ist ein Problem, sondern auch: die Situation der Dokumentarfilmer.

"Wir werden ohnehin schon zu schlecht bezahlt", sagt Thomas Frickel. Er ist der Vorsitzende der AG Dok, des Zusammenschlusses deutscher Dokumentarfilmer. "Seit Jahren gehen die Vergütungen nach unten. Viele haben den Punkt erreicht, an dem sie von ihrer Arbeit nicht mehr leben können." Der Wegfall des Sendeplatzes am Montag verschärfe die Lage weiter, der Konkurrenzdruck unter den vielen freien Filmemachern erhöhe sich. Gewerkschaftlich organisiert sind sie nicht, es gibt keine Tariflöhne, aber eine Menge Idealismus. "Das weiß die ARD ganz genau", sagt Frickel, und deswegen ziehe man die Löhne immer weiter nach unten, weil man darauf setze, dass die Dokumentarfilmer ihre Filme trotzdem machen - aus Überzeugung.

Martina Fluck ist Geschäftsführerin einer kleinen Filmproduktion in Schleswig-Holstein und konnte lange von Dokus leben. Das hat sich geändert, seit die Quotendiskussion Einzug gehalten hat bei den Öffentlich-Rechtlichen: "Mit dem Argument, es schaut niemand Dokumentarfilme, werden sie zu Zeiten gesendet, an denen niemand schaut - es ist ein Teufelskreis." Auch Fluck kann nur selten kostendeckend arbeiten. "Dass bei uns auch Existenzen dranhängen, dass von dem Geld Familien ernährt werden müssen, vergessen die Redakteure oft, glaube ich", sagt sie. Deswegen macht sie nun auch Werbung. Die ARD-Programmreform hat sie sehr verunsichert: "Wir haben in Deutschland einen hohe Dichte an Dokumentarfilmern, die staatlichen Hochschulen bilden jedes Jahr neue aus. Wo sollen die noch Arbeit finden?"

Natürlich existieren Alternativen. Professor Stadler von der HFF sieht in der Zusammenarbeit mit Museen eine Möglichkeit, unabhängig vom Fernsehen gute Dokumentationen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und dabei kostendeckend zu arbeiten. "Seit einer Woche zeigt die HFF in der Münchner Pinakothek der Moderne in einer Ausstellung 88 Dokumentarfilme - die Leute stehen Schlange." Doch die Dokufilmer sehen es nicht ein, sich einfach so von den Öffentlich-Rechtlichen abzuwenden. "Das Programm der ARD muss frei von Quotendruck sein", sagt Thomas Frickel, "daran muss man sie immer wieder lautstark erinnern."Außerdem habe die ARD ja die etwa 7,5 Milliarden Gebühreneinnahmen pro Jahr, die eine angemessene Bezahlung eigentlich möglich machen müssten.

Also kämpfe man weiter. "Das Publikum des Ersten geht bald in Rente, und wenn der Sender nicht untergehen will, muss etwas Grundsätzliches geändert werden", sagt Professor Stadler. "Ich persönlich werde einen Teufel tun und einem jungen Studenten abraten, Dokumentarfilm zu studieren. Worüber sollen die Talkshows denn reden, wenn keine Dokumentarfilmer Themen ins Gespräch bringen?"

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5 Kommentare

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  • LS
    le singe

    @Gary Gaffer: 100% richtig!

  • CO
    Castor oil

    Was haben diese niveaulosen Talkshows, in denen immer die gleichen tumben abgehalfterten Politiker und Wichtigtuer auftreten, mit dem Bildungsauftrag des öffentl. rechtliche TV/Rundfunk zu tun? Diese Talkshow-Gäste reissen sich doch geradezu darum, bei den meist schlecht vorbereiteten u. uninformierten "Talk-MasterInnen" den Clown machen.

    Solche Sendungen, in denen noch nie Wahrheiten ausgesprochen wurden und die vor politischer Korrektness nur so triefen, dienen der Polit-"Elite" doch nur zur Volksverdummung. Und Quote darf bei den zwangsfinanzierten Sendern keine rolle spielen. Bei rund 7 Milliarden Rundumversorgung sollte genug Geld für vernünftige Dokus doch wohl zur Verfügung stehen.

  • GG
    Gary Gaffer

    @le singe: "Die entscheidende Frage dahinter: Wie kriegt man die Leute dazu, Gewohnheiten auszubilden." - Es würde ja schon eine Menge helfen, wenn die Tages- u. Wochengazetten, die jetzt das Verschwinden eines Doku-Sendeplatzes beweinen - wo übrigens so Krams wie "Fernsehlieblinge" läuft, nur seltenst mal politische Themen - auf die noch reichlich existierenden Dokus mal hinweisen würden. Passiert aber nur in Ausnahmefällen. Darüber sollte sich die AG Dok auch mal beschweren, wenn schon momentan alle Medienjournalisten bei ihr passende Statements einholen. Und haben nicht alle über das Engagement G. Jauchs gejubelt? Damit fängt das Elend doch schon mal an.

  • LS
    le singe

    @Jule: Das stimmt nur halb. Vielmehr glotzen die "niveaulosen" Glotzer einfach das, was ihnen vorgesetzt wird.

     

    Es ist ein seit langem mißbrauchtes Argument, dass der Konsum zeige, was eigentlich gewünscht werde. Das nützt vor allem denen, die Mist anbieten und dann darauf verweisen können, dass Mist (ganz demokratisch) "gewollt" sei. Trifft auf nahezu alle Konsumbereiche zu, sehr deutlich z.B. bei der Mode: Als ob die Leute unbedingt gerade Lila, gerade in diesem oder jenem Jahr, immer schon tragen wollten. Nein, sie wollen es einfach deswegen, weil es da ist, weil es als Trend behauptet und beworben wird und zuletzt auch deswegen, weil alle anderen, es auch haben.

     

    Warum gucken Frauen und Bildungsbürger seit fünf Jahren plötzlich in Massen begeistert Fußball - obwohl sie es jahrzehntelang nicht taten. Weil sie Fußball unbedingt "wollen"?

     

    Die entscheidende Frage dahinter: Wie kriegt man die Leute dazu, Gewohnheiten auszubilden. Der Mensch ist aus einem sehr formbaren Material gemacht und genauso formbar sind seine Präferenzen und Vorlieben (vergleiche die Einstellung zu Arbeit/Lernen/Leistung in asiatischen/konfuzianisch geprägten Gesellschaften wie z.B. Südkorea oder Japan).

     

    Da es sich beim Fernsehen um Massenkonsumphänomene handelt, gilt allerdings unter ökonomischen Vorzeichen das Trägheitsgesetz, d.h. tendenziell wird sich immer nach den eher primitiven Bedürfnissen gerichtet. Das setzt dann eine Spirale nach unten in Gang. Trotzdem könnte man auch diese Masse problemlos an mehr Qualität gewöhnen.

  • J
    Jule

    Die niveaulosen Fernsehzuschauer wollen es so!