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Archiv-Artikel

Wem gehört der öffentliche Raum?

Mit Platzverweisen und „einfacher körperlicher Gewalt“ räumt die Polizei Punks und Vokü-Köche vom Sielwalleck ab. Dabei brodelt auch der Konflikt mit dem „Kapelle“-Gastronom hoch. Punks wehren sich gegen „Kommerzialisierung“ des Viertels

Von HB

Bremen taz ■ Wer ist das Viertel? „Wir auch!!“. Mit dieser geradezu DDR-revolutionären Parole kämpfen derzeit Punks und andere Sielwalleck-BewohnerInnen um ihren Platz zwischen Oster- und Steintor. „Alle störenden Elemente“ würden „systematisch weggeekelt und verdrängt“, heißt es in einem Flugblatt der „Punks aus dem Viertel“. Die „Privatisierung öffentlicher Plätze“ finde dabei nicht nur am Sielwall statt, „andere Orte wie der Ziegenmarkt werden ebenso kommerziell verpachtet“. „Die ungebetenen Zaungäste der Konsumgesellschaft werden zum Weiterziehen gezwungen.“

Am Donnerstag sollte das anders sein. Die regelmäßig stattfindende Sielwallhaus-Volxküche war ans Eck verlegt worden – Couscous gegen Spende als Gegenkonzept zum kommerziellen gastronomischen Angebot der vor anderthalb Jahren dort eröffneten „Kapelle“. Der Abend endete mit einem nach Angaben der Polizei „massiven Einsatz“ derselben, Begründung: „Störungen im öffentlichen Raum“ und „Belagerung“ des Lokals. Die Gruppe habe „sich widerrechtlich Gestühl für den eigenen Sitzbedarf angeeignet“.

Das weitere Vokabular des Polizeiberichts klingt eher nach Revolte als nach sommerlichem Sitzplatzneid. Ein „Rädelsführer“ sei ausgemacht und festgenommen worden, was wiederum zu einer „versuchten Gefangenenbefreiung“ und anderen „Widerstandshandlungen“ geführt habe. Daraufhin wurden die Punks mit Polizeihunden und „einfacher körperlicher Gewalt“ in Richtung Dobben abgedrängt.

Als diese später zurück kamen, bildete die Polizei einen Kessel. Außerdem, so berichten zumindest Betroffene, hätten Zivilpolizisten die Seitenstraßen nach mutmaßlichen Szeneangehörigen „abgefischt“. Letztendlich landeten so 40 Personen im Kessel – eine Zahl, von der die Polizei zunächst erheblich nach unten abwich, die sie nach nochmaligem Summieren der Festgenommen-Kontingente aber bestätigte. 21 kamen in eine so genannte Großraumzelle der Steintorwache, die allerdings nur 11,04 Quadratmeter misst. Beschwerden, dass sie bis zu vier Stunden ohne Toilettenzugang ausharren mussten, dementierte die Polizeipressestelle. Wie viel Quadratmeter Arrestfläche jedem zustehen, weiß man dort allerdings nicht.

Das Platzproblem am Sielwall ist dagegen altbekannt. Vor dreieinhalb Jahren hatte der iranische Architekt Abi Fakhari das ehemalige Modehaus Rehme gekauft und mühsam renoviert, nach 17-monatigem Antragskampf konnte er im Dezember 2003 sein Bistro-Restaurant eröffnen. Auch in der aktuellen Auseinandersetzung fühlt sich Fakhari von den Behörden nicht ausreichend unterstützt – was Ortsamtsleiter Robert Bücking für seinen Teil zurückweist. Er habe sich immer für die „Kapelle“ eingesetzt, schließlich sei deren Existenz „ein Riesengewinn“.

Der Betreiber jedenfalls hat es nicht leicht. Da werde, so wird erzählt, schon mal gegen die Scheiben uriniert, hinter denen ältere Damen gesittet Kaffee trinken, auch die versuchte Nutzung der regulären Restaurant-Toiletten habe immer wieder zu Rangeleien geführt. Fakhari, „total erschöpft“ von den Auseinandersetzungen, wollte gestern keine Stellungnahme abgeben.

Also zu den bloßen Fakten: Wer hat ein Nutzungsrecht der Flächen am Eck? Laut Ortsamt gehört das Pflaster direkt am Haus noch zum Privatgrundstück, darüber hinaus bestünde ein Sondernutzungsgenehmigung für etwa die Hälfte der Gehwegfläche. Die Frage nach einem möglichen Nebeneinander ist damit allerdings noch nicht beantwortet. HB