: Wem gehört der Fußball?
RICHTERSPRUCH Im Streit um Bildrechte an Amateurspielen entscheidet der BGH im Sinne der Internetplattform Hartplatzhelden. Aber die unterlegene Partei, der Württembergische Fußballverband, will nicht klein beigeben
KOMMENTAR DER HARTPLATZHELDEN
VON MARKUS VÖLKER
Ein Tag ist verstrichen, aber das Karlsruher Urteil lässt Michael Hurler noch immer nicht los. Von einer Niederlage will er nicht reden, „man muss das Positive sehen“. Das ist aber gar nicht so leicht, nicht einmal für den Juristen Hurler, 50, der als Vizepräsident die Geschäfte des Württembergischen Fußballverbandes führt. Denn die Gegenseite hat vor dem Bundesgerichtshof obsiegt. Der erste Zivilsenat des BGH hat am Donnerstag entschieden, „dass ein Fußballverband es hinnehmen muss, wenn kurze Filmausschnitte von Amateurfußballspielen seiner Mitglieder im Internet öffentlich zugänglich gemacht werden“.
Die Videomitschnitte werden auf der Seite hartplatzhelden.de gezeigt. Oliver Fritsch ist Geschäftsführer der Hartplatzhelden GmbH mit Sitz in Gießen. Fritsch ist Mitglied der Sportbloggerszene und hat sich vor allem mit der Seite indirekter-freistoss.de einen Namen gemacht. In der Auseinandersetzung mit dem Fußballverband hatte er zweimal verloren, in der letzten Instanz gelang ihm nun jedoch nicht nur der Ausgleich, sondern, wenn man so will, ein 3:2-Sieg. „Trotzdem ist das kein Freifahrtschein für die Hartplatzhelden“, sagt Hurler und vertieft sich in das Urteil. Eine Passage hat es ihm besonders angetan. Da heißt es: Der Kläger, also der Fußballverband, „kann sich über die ihm angehörigen Vereine eine entsprechende wirtschaftliche Verwertung der Fußballspiele in seinem Verbandsgebiet dadurch hinreichend sichern, dass Besuchern der Fußballspiele Filmaufnahmen unter Berufung auf das Hausrecht untersagt werden“.
Werden jetzt also alle Besucher von Amateurspielen gefilzt und Videofilmer vom Ordnungsdienst des Platzes verwiesen? Wie sehr wollen der Verband beziehungsweise die organisierten Vereine auf ihr Hausrecht pochen? Hurler beschwichtigt: „Wir wollen den Druck aus der ganzen Sache herausnehmen.“ Trotzdem spricht er von einer „Empfehlung“ an die Vereine, die es jetzt geben soll. Wie die aussieht? „Mal sehen.“ In dem Urteil sieht er zunächst einmal „eine gewisse Klarstellung“, aber auch „einen Auftrag an die Gesetzgebung, denn es kann nicht sein, dass jeder, der lustig ist, etwas ins Netz stellen kann“. Ein Dorn im Auge ist ihm nach wie vor das kommerzielle Interesse der Hartplatzhelden, auch wenn diese stets beteuern, nur Miese zu machen mit ihrer Leidenschaft für den Fußball. Fritsch und Co. nennt er unversöhnlich „Rosinenpicker“ und „Parasiten“, weil sie sich keinen Deut um die Organisation des Spielbetriebs, das Schiedsrichterwesen und die Trainerausbildung kümmerten, sondern mit den Filmchen nur versuchten, Geld zu verdienen. „Sie fahren auf unserem Boot mit, wobei wir allein für die Seetüchtigkeit des Bootes verantwortlich sind.“
Die Einnahmen aus dem Videogeschäft, findet er, gehörten nicht Privatpersonen, sondern dem Fußball an der Basis. Sein Verband habe, da er gemeinnützig organisiert sei, keine kommerziellen Interessen. Wenn sich das Geschäftsmodell jemals als rentabel herausstellen sollte, dann würde Hurler jeden Cent in die Nachwuchsförderung stecken oder dafür ausgeben, „die Verbandsaufgaben zu refinanzieren“. Er wolle ja gar nicht verhindern, dass Bilder gemacht werden, sagt Hurler, „sie sollen nur nicht gewerblich genutzt werden“. Es sei nun Aufgabe der Sportpolitiker, dafür zu sorgen, dass sich allein der Fußballverband am Allgemeingut Fußball bedienen darf. Wie das gehen soll, verrät er freilich nicht.
Die Hartplatzhelden, die die Auseinandersetzung clever als einen Kampf des Guten gegen das Böse inszenierten – hier der gestrige, autoritäre Verband, an dem die Zeit vorbeiläuft, dort die gewieften Netzwerker, die für die Freiheitsrechte im Web 2.0 und des Fußballs streiten –, feiern ihren Erfolg. Auf ihrer Seite schreiben sie: „Auswärtssieg! Wir haben das Spiel gedreht! Die Schiedsrichter in Karlsruhe sind der Meinung: Der Amateurfußball gehört uns allen.“ Er gehöre den Spielern, den ehrenamtlichen Trainern, den Fans an der Bande, den Minis und ihren Vätern mit der Videokamera, den Lokalsportreportern und den Bloggern, die über ihre lokalen Fußballhelden berichten. Dann fügen sie an: „Natürlich gehört der Fußball auch den Verbänden, aber eben nicht alleine.“
Der Fußball gehört auch Michael Hurler, ehemals bei der TSV 1880 Neu-Ulm aktiv, Hurler, dem B-Lizenz-Trainer und ehrenamtlichen Schiedsrichter. „Die Hartplatzhelden haben eine sehr gute Kampagne gefahren“, räumt er ein, „die haben die Sache total emotionalisiert.“ Sie haben im Netz und teilweise auch in den Medien die Meinungsführerschaft übernommen. Diese Niederlage fuchst ihn vor allem.