■ Weltwirtschaftsgipfel beschließt Schuldenerlaß für die Ärmsten: Eine gelungene PR-Aktion
Mit großer Geste wurde auf dem Kölner Weltwirtschaftsgipfel ein Schuldenerlaß für die ärmsten Entwicklungsländer verkündet. Was sich so generös anhört, bringt diesen aber weder finanziell noch sozialpolitisch nennenswerte Fortschritte. Sicherlich ist es ein Fortschritt, wenn den 41 hochverschuldeten armen Ländern gut die Hälfte ihrer Schulden erlassen werden kann. Auch erscheint die Forderung vernünftig, daß die begünstigten Länder die Mittel, die durch den Wegfall der Zins- und Tilgungszahlungen frei werden, für die Armutsbekämpfung einsetzen sollen. Doch wird sich in der Realität für die Bevölkerung in den ärmsten Ländern wenig bis gar nichts ändern. Dafür haben die G-7-Staatschefs schon dadurch gesorgt, daß sie es allein dem Internationalen Währungsfonds (IWF) überlassen, welche Voraussetzungen die Schuldnerländer für die Aufnahme in die Kölner Initiative erfüllen müssen.
IWF-Strukturanpassungsprogramme und Armutsbekämpfung widersprechen sich. Während der IWF strengstens vorgibt, wieviel die Regierung zu sparen und wie sie die Exporteinnahmen zu erhöhen hat, läßt er offen, wieviel zur Armutsbekämpfung, für Bildung oder Gesundheit ausgegeben werden soll. Was liegt da für die meisten Regierungen näher, als im sozialen Bereich zu sparen, um die Auflagen zu erfüllen? Und selbst wenn dann Schulden gestrichen werden, dürfte sich das in den Haushalten der meisten begünstigten Länder nicht einmal als spürbare Entlastung niederschlagen. Mittel für soziale Programme werden so nicht frei. Der Grund: Die ärmsten Länder können ohnehin einen beträchtlichen Teil ihrer Schulden nicht zurückzahlen, ja sie sind sogar vielfach außerstande, die fälligen Zinsen zu zahlen.
Für die Gläubiger bedeutet der Verzicht auf Forderungen, die ohnehin nicht bedient werden, nur einen rechnerischen Verzicht. Mit dieser Bilanzbereinigung vollziehen die Gläubigerstaaten lediglich, was ihnen die Banken längst vorgemacht haben. Ein Schuldenerlaß, der auf der einen Seite nichts kostet, bringt allerdings auf der anderen Seite auch keinen Gewinn. Ihrem 1995 auf dem Weltsozialgipfel in Kopenhagen gesteckten Ziel, die Zahl der Menschen, die in absoluter Armut leben, bis 2015 zu halbieren, sind die Industrieländer durch diesen preisgünstigen Schuldenerlaß jedenfalls nicht näher gekommen. Einem moralisch hochanständigen Image allerdings schon. Hut ab vor so viel PR-Geschick. Nicola Liebert
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