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Weltwettwichsen contra Weizenbierwitzeln ■ Von Jürgen Roth
Zuweilen kommt’s hart. Das „Horizont“ hat noch geschlossen, und die Zeichner Achim Greser und Heribert Lenz, die eine vor der Tristesse rettende Runde organisieren könnten, schuften in ihrem Ostend-Atelier, um den Cartoonband „Hausschatz des Goldenen Humors“ fertigzustellen. Den haben wir jedoch bereits viermal studiert und einmal, jetzt, als pointenreichen Trostspender zum Ankauf (Verlag Antje Kunstmann) empfohlen. Was nun, was tun? Wollen wir über Frankfurt reden? Frankfurt ist ein prima Anwesen; beheimatet nämlich neuerdings, seinen lachhaften Ruf der Halbweltkapitale verstärkend, ein „Erotik-Kabinett“ namens Venusberg.
„Der gemeine Penis ist ja zunächst mal nicht besonders witzig“, urteilte konzis die FR anlässlich der Eröffnung des mit Ikea-Sesseln, gusseisernen Lampen, Troddeln und hunderten Grafiken, Ölbildern und Zeichnungen ausstaffierten, atmosphärisch zwischen Sauna und Zirkuswagen eiernden Raumes, wenn denn Räume eiern können, und der hier vermag’s. Puffmagnat Dieter Engel transferierte jene Reliquien, die er nicht Beate Uhse verkaufen mochte, an den Main. „Auf eines Pferdes Rücken / kann man vorzüglich ficken“, erläutert eine Legende, und die Volkskunst geht gerade Wege: Immer druff und rein „das Ding“ (Bernd Fritz). Bauer sticht König, Mönche, Nonnen, Bürger, Priester fellationieren und penetrieren in jeder Ecke. Wandschreine enthalten Fickplastiken oder Doppelbilder, z. B. das prächtig pralle „La Prise de la Bastille“, auf dem die befreite Klasse zur Glockenspiel-Marseillaise dem Gruppenrammeln frönt.
Meine Begleiterin lacht, als sie von der Toilette zurückkehrt und lebensgroße Darstellungen onanierender Frauen beschreibt. Die Welt, befiehlt das Arrangement, muss gefickt werden. Schön, dass der belesenste Frankfurter, Freund Jürgen Lentes, zur donnerstäglichen Rezitation pornografischer Literatur lädt. Heute gibt ein Koblenzer Theaterkasper „Die Lust an sich“, das wenig bekannte Selbstbefriedigungskompendium des ingeniösen Oulipoisten Harry Mathews. „Lust an sich? Hörst du die Doppelbedeutung“, raunt die Dame, „sozusagen ein hegelianisches Programm der sinnlichen Gewissheit des Beisichseins bei sich selbst, also beim Selbst, das sich fummelnd von sich selbst, äh, entfernt, ha.“
„Onanie? Supertabu!“ dekretiert Kollege Hefele. Nun wichst alle Welt um die Silberne Palme. Der degoutante Aufsager der federleicht Polizeiberichte parodierenden Texte erzeugt eine verschwiemelte Andachtsaura, deren Ridikülität zu Mathews’ kein Gran expressivem, human bedienerfreundlichem Buch passt wie der Arsch zum Bitburgerglas.
Irgendwann lässt Mathews die Gesellschaft „MUM – Masturbation und Mißvergnügen“ einschreiten, Lentes ruft der Frauenfraktion zu: „Wer am meisten lacht, hat am meisten masturbiert im Leben“, und Katholik Engel schenkt mir ein Kouvert: „Die Hochzeitsnacht – Luststück in zehn sinnenfrohen Bildern“.
Morgen gehe ich ins „Horizont“ und treffe Greser & Lenz, das Duo, dessen eine Hälfte schon mal befiehlt, sich „nackicht auszuziehen“, um gegen die Sperrstunde zu demonstrieren. Hernach belohnen sie die Welt mit Weizen und Witzen. Hat sie verdient.
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