■ Weltsprache: Es lebe Esperanto
Eine Schulklasse singt, und der Neuköllner Bezirksbürgermeister enthüllt eine Gedenktafel vor einem Grüppchen älterer Herrschaften. Mit dieser Geburtstagsfeierlichkeit üben die Berliner für ein besonderes Ereignis: den Ende Juli beginnenden 84. Esperanto-Weltkongreß, zu dem etwa 3.000 Teilnehmer aus 70 Ländern in der Hauptstadt erwartet werden. Kommen werden auch Leute ohne Rentnersandalette. Immerhin sprechen weltweit etwa drei Millionen Menschen die internationale Sprache, und wer sie lernt, tut dies in der Regel im Alter zwischen 12 und 25 Jahren, sagt Lu Wunsch-Rolshoven, Herausgeber der Esperanto-Nachrichten.
Trotzdem hängt die Esperanto-Verbreitung keinesfalls nur an plappernden Jugendlichen im Brieffreundschaftsalter, sondern ist stets an Politik und Zeitgeschichte geknüpft. Im Iran boomte Esperanto, als nach dem Sturz des Schahs in den Schulen kein Englisch mehr unterrichtet wurde. Die letzte große Eintrittswelle in Deutschland kam Anfang der siebziger Jahre mit dem massenhaften Tourismus ins europäische Ausland. Das Netzwerk der Esperanto-Community macht es möglich, nach nur zwei Wochenenden Intensivkurs praktisch überall zu kauderwelschen. „Baki“ heißt backen, „danki“ danken, „miksi“ mischen – das schafft auch noch der letzte Sprachmuffel.
Heute zählt die deutsche Esperanto Liga etwa 1.500 Mitglieder. Jene, die meinen, es mache mehr Sinn, statt der Kunstsprache Spanisch oder Englisch zu lernen, bedenken, so Wunsch-Rolshoven, dabei eines nicht: „Dann kann man auch nur eine Sprache mehr.“
Den Erfolg der Weltsprache beweisen nicht nur Special-Interest-Devotionalien wie ein Asterix-Heft in Esperanto oder Zitatschnipsel von Esperanto-Befürworter Umberto Eco aus den Feuilletons aus aller Welt. In gemischtnationalen Familien unterhält man sich vielerorts längst auf Esperanto – das ist einfacher als ein Durcheinander von Bulgarisch, Französisch und Schwäbisch.
Daß die 1887 von dem Polen Ludwig Zamenhof erstmals veröffentlichte Brükkensprache immer auf dem neuesten Stand bleibt, dafür sorgt die „Akademio de Esperanto“. Sie betreibt im Internet ein Wörterbuch „für den häuslichen Bereich“, in dem auch die Übersetzungen für Sweatshirt und Handy zu finden sind.
Wer hören will, wie Esperanto klingt, schalte das Radio ein. Radio Warschau sendet täglich um 22.30 Uhr auf Kurzwelle (41,18 m = 7.285 kHz) und Mittelwelle (15.038 kHz) in Esperanto.
Kirsten Küppers
Der 84. Esperanto-Weltkongreß findet vom 31. Juli bis zum 7. August in Berlin statt. Gleichzeitig gibt es den 33. Esperanto-Kinder-Kongreß in Potsdam. Informationen und Esperanto-Kurse unter www.esperanto.de im Internet
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