hamburger szene : Weltneuheit am Millerntor
Der „Bierstand Süd“ ist ein Plastiktisch, an dem ein Besenstiel angebracht ist, der wiederum einen Regenschirm hält. Er würde aussehen nach Karlsson vom Dach, wären da nicht das Fässchen Bier auf dem Tisch und die Totenköpfe auf den Pullis. Es ist Donnerstag, 18 Uhr. Gut 20 St. Pauli-Fans haben sich vor der Baulücke am Millerntorstadion versammelt. Die Idee: Weil seit Monaten nichts vorangeht beim Neubau der Südtribüne, wollen sie die Sache selber in die Hand nehmen. Heute soll der Grundstein gelegt werden. Feierlich.
Aus dem Grundstein-Legen aber wird nichts, nachdem der Verein nicht will, dass die Fans die Baustelle betreten. Also liegt der Grundstein nun neben dem Bierstand, verhüllt von einem schwarzen Totenkopf-Tuch und flankiert von einer weißen und einer braunen Kerze. Nachdem er vor der Kamera des Lokalfernsehens enthüllt worden ist, unterschreiben alle auf dem Grundstein, der ein braun-weiß gestrichener Gasbeton-Klotz ist. Es ist ein recht eigener Moment: Gottesdienst, Unterschriftenaktion und Biergarten werden eins. Die Welt bekommt ein neuartiges Format freundlicher Kritik.
„Per aspera ad astra“ steht auf dem Stein, was bedeutet: „Über anfängliche Schwierigkeiten zu den Sternen.“ Die ewig alte St. Pauli-Hoffnung, gepaart mit dem schicksalshaften Humor der St. Pauli-Fans. Was jetzt passieren soll mit dem Stein? „Man sollte den beim Neubau Einmauern“, sagt eine Frau. „Als Zeitdokument für spätere Generationen, falls die neue Tribüne wieder mal wieder abgerissen wird. Kann ja passieren.“ KLAUS IRLER