Welthandel stottert: Prognose und Realität
Die Häfen an Nord- und Ostsee wachsen langfristig, aber weniger als erwartet. Hamburg sieht keinen Grund, seine Planungen und Investitionen deshalb zu korrigieren.
Der Hamburger Hafen wird wieder kräftig wachsen – aber lange nicht so stark, wie von der Hamburger Hafenwirtschaft bislang behauptet. Nicht 25 Millionen Standardcontainer (TEU) dürften im Jahr 2025 umgeschlagen werden, sondern lediglich 16,4 Millionen TEU im Jahr 2030 (2010: 7,9 Mio). Über diese Vorhersage der Seeverkehrsprognose 2030 des Bundes grübelt nun die Wirtschaftsbehörde an der Elbe nach, wie sie auf eine Anfrage des grünen Hafenpolitikers Anjes Tjarks einräumt: „Die Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen.“ Tjarks findet, es sei „höchste Zeit, dass die Umschlagsprognosen der Realität angepasst werden“.
Jedoch gehen auch die neuen Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums davon aus, dass der Umschlag im Hamburger Hafen bis 2030 jährlich um 3,2 Prozent steigt. Damit liegt er gleichauf mit Bremerhaven und Wilhelmshaven, für die jeweils ein Plus von 3,3 Prozent prognostiziert wird. Damit würde der im September 2012 in Betrieb genommene Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port am Ende des nächsten Jahrzehnts mit 3,4 Millionen TEU seine Kapazitäten ebenso vollständig ausgeschöpft haben wie die bremischen Häfen mit 9,9 Millionen TEU (2010: 4,9 Mio.). Im Gesamtumschlag aller Güter soll Hamburg von 105 auf 194 Millionen Tonnen anwachsen, die bremischen Häfen von 59 auf 104 Millionen Tonnen und Wilhelmshaven von 24 auf 47,6 Millionen Tonnen.
An der Ostsee wird Lübeck mit einem Gesamtumschlag von 28 Millionen Tonnen Rostock mit 24,8 Millionen Tonnen von der Spitzenposition verdrängen. Die höchsten Zuwachsraten indes werden Puttgarden vorhergesagt, sofern dort ein Bauhafen für den Fehmarnbelt-Tunnel eingerichtet wird (siehe Kasten).
Nach Ansicht des Hamburger Wirtschaftssenators Frank Horch (parteilos) belegt die Prognose des Bundes, dass alle Nordseehäfen „in den nächsten Jahren ihren Umschlag erheblich erhöhen werden“. Auch wenn es keine zweistelligen Wachstumsraten geben werde, „müssen wir weiterhin in den Ausbau der Hafeninfrastruktur investieren“.
Eben das zieht Tjarks in Zweifel. Die Bundeszahlen bedeuteten eine „Korrektur nach unten mit massiven Auswirkungen auf Baumaßnahmen und Investitionen“, sagt er. Als Erstes müsse deshalb die 280 Millionen Euro teure Erweiterung des Eurogate-Terminals gestoppt werden. Dessen Umschlagskapazität soll von vier auf sechs Millionen TEU erhöht werden, obwohl dort im Jahr 2012 lediglich 1,8 Millionen TEU umgeschlagen wurden. „Ungenutzte Kapazitäten brauchen wir nicht“, sagt Tjarks.
Wirtschaftssenator Horch indes will von seinen Ausbauplänen nicht lassen: „Der Verkehrsträger Schiff bleibt die unangefochtene Nummer 1 im globalen Warenhandel“ – und damit auch für Hamburg. Deshalb will er verstärkt Straßen und Schienen für die landseitige Hafenanbindung ausbauen. Und ein Großprojekt steht für ihn außer Zweifel: „Der Bedarf für die Fahrrinnenanpassung der Elbe ist eindeutig gegeben.“
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