: Weltfriedensplan
Vor dreißig Jahren, im Sommer 1973, fanden in Ostberlin die zehnten Weltfestspiele der Jugend und Studierenden statt. Was als rotes Woodstock im kollektiven Gedächtnis der DDR haftet, umfasste 1.500 Veranstaltungen. Acht Millionen Besucher kamen, so die Presse, unter ihnen 25.000 ausländische Gäste. Die Karten für die Veranstaltungen waren kontingentiert: 40 Prozent aller Karten für Teilnehmer aus sozialistischen Ländern, 30 Prozent für Delegierte linker Organisationen aus dem Westen, 20 Prozent für Asiaten und Afrikaner, zehn Prozent für die Teilnehmer aus Lateinamerika.
Stasi, Polizei und Ordnungsgruppen der FDJ waren auf dem Festival im Einsatz. So hatten etwa Angehörige des Stasi-Wachregiments „Feliks Dzierzynski“ die Aufgabe, sich „in Uniform unters Volk zu mischen“, wie die Leipziger Kulturwissenschaftlerin Ina Rossow in ihrer Magisterarbeit schrieb. „Es gab in Treptow mal ’ne Flugblattaktion von Oppositionellen“, wird Hagen K., ehemaliger Kulturoffizier der Stasi, zitiert. „Oder kleine Gruppierungen haben Biermann-Lieder gesungen. Dann hat sich die Singegruppe des Wachregiments druntergemischt, und kräftige Männerstimmen haben eben ein anderes Lied angestimmt.“
Auch auf Beatveranstaltungen war man vorbereitet: „Wenn einer mit ’ner Gitarre und etwas längeren Haaren als üblich reinkam, dann rückten unsere Leute so langsam in seine Richtung, um sich prophylaktisch in der Nähe aufzuhalten“, so K. Bei den nächtlichen Diskussionsrunden auf dem Alexanderplatz versuchten Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit für Argumentationshilfe zu sorgen. Der Delegierte Reiner E. berichtet: „Da gab’s Leute – das konnte man beobachten –, die liefen von einer Gruppe zur anderen. Sicher sind da auch welche ,beruflich‘ unterwegs gewesen. Aber das hat keine Rolle gespielt. Spätestens, wenn die Eckkneipen zumachten und die Arbeiter dazukamen, ging es richtig los. Wenn die westdeutschen Kommunisten mit den ostdeutschen Arbeitern zusammentrafen, flogen die Fetzen, da kam der Alltag rein.“
Das MfS konnte zufrieden sein: Die Lage blieb ruhig. In einer Bilanz der Aktion „Banner“, wie die Stasi die X. Weltfestspiele nannte, gibt es keinen Fall von „anonymer Hetze“ oder „diverser Sabotage“. Zum Vergleich: Nur vier Jahre zuvor, zum 20. Republikgeburtstag, hatte es 34 bzw. sieben derartiger Fälle gegeben. Insgesamt registrierte das Mielke-Ministerium 1973 124 Vorfälle wie „Beschädigung von Sichtagitation“ (34) oder „Hetzlosungen, Symbole oder Zeichen“ (5). Von Terrorhandlungen ist nichts bekannt. Obwohl doch da zwei nackte Ärsche auf dem Alexanderplatz zu sehen waren. AM