: Welt in Bremer Rangordnung
■ Über die Hierarchie der Wartezeiten im Ausländeramt - freier Durchgang für Dänen und Franzosen, kein Durchkommen für Asyl - eine Amtskritik
„Sri Lanka, Pakistan und Indien jetzt Zimmer 8 UG“ Orientierung scheint im Bremer Ausländeramt nach dem Prinzip zu funktionieren: Wer den weiten Weg aus aller Herren Länder bis in den Kleinstaat an der Unterweser geschafft hat, wird unter zwei Dutzend Türen in Keller und Erdgeschoß schon von alleine vor die richtige geraten. Denn zwar schaffen große Hinweistafeln an den Wänden Hoffnung auf klare Orientierung, doch finden sich an jeder Tür mehrere handgeschriebene Verweise quer durch Keller und Erdgeschoß des Hauses Am Wall 196. Nur Flüchtlinge haben es einfacher. Sie müssen sich nur danach richten, wo sich die größte Menschentraube gebildet hat.
„Jetzt ist es elf Uhr. Wir warten seit acht und dran sind wir noch lange nicht“, berichtet ein tamilischer Asylbewerber, der trotz stundenlangen Wartens auf dem kahlen, fensterlosen und ungelüfteten Flur noch ein Lachen aufs Gesicht zaubert. Immer wenn es im Türschloß zweimal klackt, gibt es neue Hoffnung: Ein Dutzend Wartende drängelt sich in die Nähe und versuchen zumindest, einen Blick in den Raum zu erhaschen, in dem über ihr Schicksal befunden werden soll.
Im Erdgeschoß symbolisiert eine Weltkarte die unterschiedliche Behandlung der Menschen verschiedener Paßfarben: Ganz groß und in der Mitte findet sich Europa, der Äquator ist ins untere
Drittel gerutscht - Folge: Indien erscheint so groß wie Norwegen, ganz Afrika kaum größer als Grönland. In ähnlichem Verhältnis stehen die Längen der Warteschlangen vor den entsprechenden Schaltern: Freier Eintritt für Dänen und Franzosen, wartende Gruppen vor den südeuropäischen Türen und kein Durchkommen in Richtung Asyl.
Erst im Juni hatte die Gewerkschaft der Polizei von „menschenunwürdigen Verhältnissen“ gesprochen - gemeint waren nicht nur diejenigen der Wartenden, sondern ganz besonders die Situation der SachbearbeiterInnen hinter den Tresen. Denn die sind nicht nur zwischen Akten und Schreibtischen eingeklemmt,
sondern ohne entsprechende Sprachkenntnisse oder aktuelle Handzettel oft nicht einmal in der Lage, sich verständlich zu machen. Vor allem am Ende des Monats, wenn für viele BremerInnen anderer Nationalität die Verlängerungsfristen für Visa und Berechtigungen ablaufen, schwappt der Ärger stundenlangen Wartens über die Tresen.
Im Bremer Ausländeramt ist deutsche Bürokratie von ihrer häßlichsten Seite zu besichtigen. Von der schlichten Erkenntnis, daß es besser ist, andere zu behandeln, wie man selber behandelt werden möchte, keine Spur. Dabei zeigt die Weltkarte: Auch Deutsche sind Ausländer - fast überall.
Ase
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