■ Welt Weit Grönling: Grottenhäßliches Mobile
Hotliner, das sind genervte, aber stets professionell freundliche Menschen, die PC-Besitzern und Internet-Usern am Telefon weiterhelfen, wenn es nicht so recht klappen will. Sie machen den Job für Provider und Online- Dienste, Händler oder Hersteller von Hard- und Software.
Aber nicht alles, was so ein Hotliner zu hören bekommt, ist auf Fehler der Systeme zurückzuführen, und die kuriosesten Anrufe werden auch mal in den Newsgroups zum besten gegeben. So fand es der Kunde eines im ganzen Land bekannten Discounters zwar eine hervorragende Idee, daß sie ihre PCs mit ausfahrbaren Getränkehaltern ausstatten, aber nun sei das Ding leider abgebrochen. Und weil noch Garantie drauf war, wollte er ein kostenloses Ersatzteil.
Der Hotliner verstand nicht so recht. Hm, Getränkehalter? Erst nach längerem Nachbohren stellte sich heraus, daß der Kunde die auf Knopfdruck ausfahrbare Schublade des CD- Laufwerks meinte. Von dessen Existenz hat er nichts gewußt, dafür aber eine Kaffeetasse angeschafft, die genau in das Loch in der Mitte paßte.
Der Glückliche, dachte der Hotliner, ein Leben ohne CD! Der weiß überhaupt nicht, was er nicht verpaßt. Allein die Inflation der AOL-CDs, millionenfach verteilt an alle, die mal irgendwann und irgendwo ihre Adresse angegeben hatten. Jetzt als Version 3 – die gab es zwar schon Weihnachten, aber – boah, ey – jetzt mit 50 Gratisstunden! Wer seine Adresse mehrfach angegeben hat, auf Porno-Servern und Info-Sites, bekam halt noch mehr AOL-CDs. Der Hotliner hatte sieben. Wohin mit all dem Zeug?
Das ist Sondermüll, und der Weit-Wurf-Wettbewerb ist längst zur Pflichtdisziplin der Gartenfeste geworden. Ein grottenhäßliches Mobile basteln und sich damit als Technikspinner outen? Eine Tischuhr mit der CD als Zifferblatt? Den Bausatz gibt's mit Zeigern und Quarzwerk (oder heißt es Quarkzwerg?) für 5,98 im Elektronikladen. Überflüssige CDs als Reflektoren für Halogenscheinwerfer oder als Vorhang für den Partykeller auf Nylonschnüre aufreihen? Seit die Herstellung einer CD nur noch ein paar Pfennig kostet, ist fast jeder Computerzeitschrift eine beigeklebt, und und jeden Morgen liegt eine neue im Briefkasten. Man kann kaum noch nachschauen, was drauf ist, da kommt schon die nächste. Ein Münchner Computerbuchverlag hat einen mutigen Schritt gewagt und auf seine Neuerscheinung ein „Bapperl“ geklebt: „Dieses Buch enthält keinen Datenträger!“ Weiter so! Dieter Grönling
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen