: „Welches Land soll er denn verraten haben?“
■ Der Ex-Marxist und Millionär Hannsheinz Porst tritt im Wolf-Prozeß auf
Düsseldorf (taz) – Mit dem früheren FDP-Chef und einstigen Vizekanzler Erich Mende duzte er sich. Der mittelfränkischen FDP diente er Ende der fünfziger Jahre sogar als stellvertretender Bezirksvorsitzender und großzügiger Mäzen. Tatsächlich hatte Hannsheinz Porst, seinerzeit Alleineigentümer der Photo-Porst-Gruppe, mit blau- gelb wenig im Sinn. Seine politische Liebe galt der Farbe rot. Der Millionär aus Nürnberg verstand sich als Marxist. Mitgliedsbeiträge kassierte neben FDP auch die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) in Ost-Berlin. Seit 1958 gehörte er ihr insgeheim als Mitglied an. Die Beförderung vom Kandidaten zum Vollmitglied teilte der oberste Chef des DDR-Geheimdienstes, Markus Wolf, dem vermeintlichen Freidemokraten 1958 höchstpersönlich mit.
Schon drei Jahre zuvor war Porst mit dem in Düsseldorf wegen Landesverrates angeklagten Wolf in Berlin zusammengetroffen. Der Kontakt kam über seinen in Ost- Berlin lebenden Vetter zustande. Der habe zu den zunächst „rein verwandschaftlichen“ Treffs später Mitarbeiter des DDR-Geheindienstes hinzugezogen. „Mir war das auch egal“, erzählte gestern der inzwischen siebzigjährige Porst, „denn ich wollte immer nur meine Meinung anbringen. Als nachrichtendienstliche Tätigkeit habe ich mein Zusammenwirken mit der DDR nie begriffen.“
Das sah der Bundesgerichtshof ganz anders. Wegen „landesverräterischer Beziehungen“ verurteilte das Gericht Porst 1969 zu zwei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe. Für Porst ein „unverständliches Urteil“, denn ihm sei es immer nur um eine Verbesserung des Ost-West-Klimas gegangen. Deshalb sei er auch der FDP beigetreten, weil er dort ein ähnliches Interesse gespürt habe. Als sich das Ende der CDU-Alleinherrschaft vor der Bundestagswahl 1961 in Bonn abgezeichnet habe, sei er nach Gesprächen in Ost-Berlin an Erich Mende herangetreten, um ihn zur Übernahme des gesamtdeutschen Ministeriums zu bewegen. Warum Mende? „Weil man angenommen hat, daß der die Anerkennung der DDR vorantreiben würde.“ Das ließ sich die DDR einiges kosten. Manche Porst-Spenden an die FDP kamen direkt aus Ost-Berlin. Der Geheimdienstchef habe ihn dabei nie „gedrängt“, den Kontakt aufrecht zu erhalten, aber nach den Gesprächen mit Wolf „schöpfte ich wieder Hoffnung“. Daß ausgerechnet dieser Mann, nun wegen Landesverrat angeklagt wird, hält Porst für skandalös: „Ich frage mich, welches Land soll er denn verraten haben. Die Bundesrepublik kann er nicht verraten haben. Sein eigenes Land wohl auch nicht. Dann müßte man ja auch Kinkel und viele andere anklagen.“
Genau von dieser Parallelität mag der Düsseldorfer Senatsvorsitzende Klaus Wagner nichts wissen. Während das Berliner Kammergericht das Verfahren gegen den Wolf-Nachfolger Werner Großmann 1991 aussetzte, um beim Bundesverfassungsgericht klären zu lassen, ob eine Verurteilung hauptamtlicher DDR-Geheimdienstleute nicht dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes widerspricht, weist der Düsseldorfer Senatsvorsitzende alle Zweifel an der Zulässigkeit des Verfahrens zurück. Wie der Bundesgerichtshof ist Wagner der Meinung, daß die DDR-Spionagechefs eine andere Behandlung verdienen als die Spione aus dem Hause Kinkel. In Düsseldorf wird Kinkel gleichwohl noch eine Rolle spielen. Für den 22. September ist seine Zeugenvernehmung geplant – auf Antrag der Verteidigung. Walter Jakobs
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