: Weizen bei Ozon im Wachstumsstreik
Sommersmog führt zu Ertragsverlusten von Bauern und Forstbesitzern / Bauernverband sieht keine Handhabe gegen das vom Autoverkehr verursachte Ozon und die lasche Gesetzeslage ■ Von Julia Seidl
Berlin (taz) – Das Umweltinstitut München hat zum ersten Mal bundesweite Daten über die Ozonbelastung von Pflanzen ermittelt. Dabei werteten die Forscher über 500.000 Ozonmeßwerte aus. Der bundesweiten Untersuchung zufolge, kann bei extremen Ozonbelastungen der Ertragsverlust bei Sommerweizen bis auf 30 Prozent steigen und die Photosynthese im Wald um 70 Prozent zurückgehen. „Vermindertes Wachstum und Ausbleichungen bei den Pflanzen“, beschreibt Projektleiter Achim Thiel die Symptome der Ozongeschädigten. Im Wald wachsen die Nadeltriebe etwa zwei- bis dreimal langsamer als in ozonunbelasteter Umgebung.
Schon längst ist Ozon als ein starkes Pflanzengift bekannt. Achim Thiel hat in der Studie jetzt systematisch die Meßwerte von drei Jahren ausgewertet. An zehn repräsentativen Orten in Deutschland sammelte er Daten. Das Ergebnis: Es scheint zwar keinen linearen Anstieg von Ozonwerten und Pflanzenschäden zu geben, doch die Kausalität von hoher Ozonbelastung und vermindertem Pflanzenwachstum ist offensichtlich.
Ein Beispiel: In der bayerischen Ortschaft Hohenpeißenberg stiegen die Ozonwerte in den letzten Jahren massiv an: Von 10.388 AOT 40 im Jahre 1992 auf 15.766 AOT 40 im Jahr 1994. Mit den AOT-40-Werten berechnen internationale Forschungsprojekte die kritischen Belastungsmengen in einer bestimmten Gegend. Dabei wird sowohl die durchschnittliche Höhe der Werte als auch die Anzahl der Spitzenwerte berücksichtigt. Das zusammen ergibt einen Dosis-Wert, der die Belastung für Mensch und Umwelt beschreibt. Wird er überschritten, so muß mit negativen Auswirkungen gerechnet werden. Das war in Hohenpreißenberg ganz offensichtlich der Fall: Von 1992 bis 1994 sank der Ertrag an Sommerweizen um zehn Prozent, nachdem er in den Vorjahren schon um 19 Prozent abgenommen hatte.
„In den USA hat man inzwischen Millionenschäden in der Landwirtschaft durch Ozon zu beklagen“, weiß Franz-Joseph Arnold, Abteilung Pflanzenbau im Bayerischen Bauernverband. Im Moment könnten die Landwirte aber solche Verluste nirgends einklagen. „Die Schäden in Deutschland belaufen sich auf Millionen“, schätzt man im Bayerischen Bauernverband.
Mehr Engagement vom Bauernverband fordert das Umweltinstitut München: Nicht nur Symptombekämpfung, Ausgleichen der Ozonschäden durch Pestizide und Gentechnik, sind gefordert, sondern ein generelles Umdenken in der Landwirtschaft. Ein Vorgehen gegen die Verursacher der Ozonschäden – so lautet die Strategie. Altbekannte Forderungen, wie Festlegung von anerkannten Grenzwerten, Benzinpreiserhöhungen, Tempolimit und Stärkung des ÖPNV, sollen auch die Pflanzen schützen.
„Das neue Ozongesetz hilft null“, resümiert Achim Thiel vom Umweltinstitut München. „Zur Stunde sehe ich wenig Handhabe“ – so die Einschätzung des Funktionärs vom Bayerischen Bauernverband.
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