MIT DEN WAFFENEXPORTEN AUF DU UND DU: Weiter gut gerüstet
■ Rußland will auch künftig an Waffenexporten verdienen
Berlin (taz) — Trotz aller Bemühungen, den weltweiten Waffenhandel einzudämmen, will Rußland verstärkt Kriegsgerät an andere Staaten verschachern. Die Rüstungsexporte, erklärte jetzt der russische Präsident Boris Jelzin, seien für sein Land „eine unabdingbare Notwendigkeit“. Schließlich ist das am Boden liegende Riesenreich auf jede nur erdenkliche Devisenquelle angewiesen. „Wir rücken dabei von ideologischen Kriterien ab und werden den Waffenhandel offen und auf staatlicher Ebene betreiben“, fügte der Präsident unverholen hinzu. Also bestimmt künftig nicht mehr der Feind, sondern allein das Geschäft mit den Mordgeräten?
Jelzin, der die Vernichtung aller Atomwaffen als seinen Lebenstraum bezeichnet, kehrt zu Verkaufsschlagern des früheren Sowjet-Imperiums zurück. In den 80er Jahren gingen 77 Prozent aller sowjetischen Waffenexporte in die Dritte Welt. Verkaufsschlager waren die vom Westen gefürchteten Mig-Jagdbomber, schwere und mittlere Panzer, Scud-Raketen, gepanzerte Infanteriefahrzeuge, Kampfhubschrauber und Raketenboote. Doch auch Kalaschnikows und Minen landeten in allen Erdteilen. Bei den Rüstungsexporten rangierte die Sowjetunion international auf dem Spitzenplatz. Allein von 1986 bis 1990 hat die UdSSR Waffen im Wert von 60,80 Milliarden US-Dollar geliefert.
Bei Jelzins neuester Exportoffensive dürften die nun russischen Rüstungszaren kräftig mitgeholfen haben. Dem gigantischen wie einflußreichen militärisch-industriellen Komplex droht seit dem Ende des Ost-West-Konflikts der Garaus. Die Sowjets steckten mit 16 Prozent ihres Sozialprodukts jährlich mehr als 225 Milliarden Dollar in ihre Waffenarsenale; die sowjetische Rüstungsindustrie beschäftigte rund zwei Millionen Menschen. Obwohl die Informationen über den Bereich noch heute sehr spärlich sind, dürften allein 40 Prozent der gesamten Maschinenbauproduktion als Waffen die Fabriken verlassen haben. Seit vor zwei Jahren die Rüstungsausgaben drastisch gekappt wurden, taten sich die Betriebe mit den hochfliegenden Konversionsplänen äußerst schwer. Vor allem in der Moskauer Flugzeugfabrik, in der die hochmodernen Migs montiert wurden und die Rüstungsregion Swerdlowsk, dem Herzstück des kommando-administrativen Militärsystems regte sich erbitterter Widerstand. Erwin Single
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