■ Weißrußland wählt ersten Präsidenten: Der mächtigste Mann
Sechs Kandidaten haben die für die Teilnahme an den Präsidentenwahlen erforderlichen 100.000 Unterschriften gesammelt:
– der bisherige Premierminister und frühere ZK-Sekretär Wjatscheslaw Kebitsch
– der Anfang des Jahres abgewählte reformorientierte Parlamentspräsident Stanislaw Schuschkewitsch
– der langjährige Abgeordnete des Obersten Sowjets der UdSSR und Chef der Agrarpartei Aleksander Dubko
– der Chef der antikommunistischen Volksfront „Wiedergeburt“ Zanon Paznjak
– der Generalsekretär der KP, Wasylij Nawikow
– der Vorsitzende des Anti- Korruptionsausschusses, Aleksander Lukaschenko.
Um bereits am heutigen Wahltag, der zum arbeitsfreien Tag erklärt wurde, gewählt zu werden, benötigt ein Kandidat mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen. Andernfalls findet zu einem späteren Termin eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit der höchsten Stimmenzahl statt. Über die Hälfte der über drei Millionen Stimmberechtigten müssen zur Urne gehen.
Der erster Präsident Weißrußlands wird weitgehende Vollmachten erhalten. Er wird auf fünf Jahre gewählt und ernennt alle Minister mit Ausnahme des Innen-, Außen- und Finanzministers. Er kann den Ausnahmezustand verhängen, Streiks bis auf zwei Monate aussetzen, Ministerien abschaffen, kann gegen Gesetze ein Veto einlegen, das das Parlament nur mit Zweidrittelmehrheit überstimmen kann.
Bisher herrschte in Weißrußland ein parlamentarisches System, bei dem formelles und überwiegend repräsentierendes Staatsoberhaupt der Parlamentspräsident war, während die vom Parlament gewählte Regierung faktisch die Macht ausübte. Bis Jahresanfang standen sich dabei der von der demokratischen Opposition unterstütze Schuschkewitsch und eine konservative Mehrheit aus Kommunisten, Sozialisten und Interessenvertretern staatlicher Betriebe gegenüber. Bei den Wahlen 1990 waren nur knapp 40 Vertreter der antikommunistischen Opposition ins Parlament eingezogen. KB
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