: Weiße Flagge gehisst
Staatssekretäre für Justiz und Inneres beschließen intensivere Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung von jugendlichen Intensivtätern. Vorgehensweise der „Bild“ gerügt
Die Wogen im Fall des 20-jährigen Serienstraftäters Mahmout R. sind geglättet – zumindest was die der Führungsebene angeht. Bei einem Gipfeltreffen haben sich die Staatssekretäre für Inneres und Justiz am Montagabend darauf verständigt, dass die Zusammenarbeit von Polizei, Justiz und anderen Behörden bei der Strafverfolgung junger Intensivtäter verbessert werden muss. Die Vorwürfe, die in den vergangenen Tagen gegen die Justiz erhoben worden waren, seien aber unberechtigt, heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung. An dem Treffen hatten auch der Polizeipräsident, der Generalstaatsanwalt am Kammergericht und der Leiter der Jugendstrafanstalt teilgenommen.
Der Palästinenser soll seit seinem zehnten Lebensjahr über 80 Gewalttaten verübt haben, die Mehrzahl der Verfahren wurde jedoch eingestellt. Die Justiz fasse den Mann zu lasch an, hatten die Polizei in den vergangenen Tagen in den Medien geklagt. Auslöser für das große Presseecho war ein Artikel in der Fachzeitung Kriminalistik gewesen, in dem ein Kripo-Inspektionsleiter auf zehn Seiten unter Auflistung des Straftatenregisters über den Fall R. berichtet und der Justiz auf ganzer Linie Versagen vorgeworfen hatte.
Diese Kritik wurde bei dem Treffen entschieden zurückgewiesen. Mahmout R. sei schon als 14-Jähriger erstmals inhaftiert worden, heißt es in der Presseerklärung. Gegenwärtig verbüße er seit dem 11. Mai 2002 eine vierjährige Jugendstrafe. „Er hat seither keine Urlaube und Lockerungen aus der Haft erhalten, stellt also keinerlei Gefahr für die Öffentlichkeit dar.“
Auch eine von der Bild-Zeitung an den Pranger gestellte Jugendrichterin bekommt Rückendeckung. Das Blatt hatte über die Richterin wahrheitswidrig behauptet, sie habe R. „nie weggesperrt“. Dazu heißt die Presseerklärung: „Es darf nicht hingenommen werden, dass Amtsträgern, die ihr Amt nach dem Gesetz ausüben, von Pressevertretern an ihrem Wohnort aufgelauert wird und anschließend objektiv falsche Tatsachen verbreitet werden.“
Das Gespräch der Behördenleiter sei von einer „beeindruckenden Einmütigkeit“ geprägt gewesen, sagte Justizstaatssekretär Christoph Flügge gestern zur taz. Alle Beteiligten seien von dem Gedanken beseelt gewesen, die Zusammenarbeit der Behörden bezüglich der jugendlichen Intensivtäter so zu verbessern, dass es keine Informationslücken mehr gibt.
Im Fall von R. hatte es die Polizei zum Beispiel diverse Mal versäumt, der Haftanstalt mitzuteilen, dass der Palästinenser diverse Male einer erneuten Straftat verdächigt wurde. Eine entsprechende Mitteilung hätte sofort eine Urlaubssperre zur Folge gehabt. Dass dem so war, war bislang nicht öffentlich bekannt. „Wir haben es hier mit einen neuen Phänomen der Kinder- und Jugenddelinquenz zu tun, auf das wir vielleicht neue Antworten finden müssen“, sagte Flügge.
Mahmout R.s Anwalt, Thilo Schmidt, teilte gestern mit, dass er gegen den Kommissar, der den Artikel in der Kriminalistik verfasst hat, Strafanzeige wegen Verstoßes gegen die Datenschutzbestimmungen erstattet habe. PLUTONIA PLARRE