piwik no script img

Weihnachtsbotschaft 2.0Jesus, Facebook und die fixe Geburt

Ein Werbespot im Netz rekonstruiert im Zeitraffer die Geburt Christi mit den Mitteln des digitalen Zeitalters. So hat Josef ein Facebook-Account und Melchior bestellt Myrrhe bei Amazon.

Wichtige Nachrichten bekommt Maria natürlich schnell per SMS auf ihr iPhone geschickt. Bild: vimeo/screenshot

Es ist hektisch, es ist ziemlich nervig - und es hat viel mit Werbung und Kommerz zu tun: Die besinnlichen Tage sind, wie jedes Jahr, so ziemlich das Gegenteil von still und heilig.

Da ist es clever, dass ein kleiner Werbespot genau mit dieser Erkenntnis spielt, indem er die Weihnachtsgeschichte von der Geburt des Jesuskindchens in das heutige digitale Zeitalter überträgt und mit aller Schnelligkeit, der Hektik und dem Kommerzinteresse dieser Zeit fragt: Wie sähe denn die Weihnachtsgeschichte heute aus?

Der Werbespot zeigt es: Da nutzt der unsichtbare Engel etwa einen Dienst wie Google Maps, um herunterzusausen in den richtigen Ort, nach Nazareth, wo er der Jungfrau Maria auf ihrem Handy mitteilt, dass sie den Sohn Gottes gebären wird. Maria richtet sogleich eine e-mail an den Zimmermann Joseph - mit der dringenden Auskunft: We need to talk, wir müssen reden! "Need" fettet sie noch. Die Route von Nazareth nach Bethlehem wird mit einem Routenplaner dargestellt, ein Esel als Fortbewegungsmittel gewählt und festgestellt, dass nur noch ein Stall als Unterkunft zu haben ist, alles online natürlich.

So geht es weiter: Nach der erstaunlich fixen Geburt wird ein Foto des Jesuskindleins gleich online gestellt und erhält sofort mächtig viele Beifallsbekundungen im Netz. Fehlen nur noch die Könige oder Magier, die sich, nachdem ein "event" created wurde, im Netz verabreden, Kamele online buchen und sich bei amazon.com Gold, Weihrauch und Myrrhe besorgen.

Unnötig zu erwähnen, dass sie das Ereignis auch noch als Filmchen an Freunde mailen. Der kleine, schnelle Werbespot, unterlegt mit einer passend nervigen Speed-Version von Jingle Bells, endet mit der Auskunft: Times change, feelings remain the same - Die Zeiten ändern sich, die Gefühle bleiben die gleichen.

Das ist natürlich richtig: Der Liebe in all ihren Facetten, ob nun zu Joseph und zu Maria oder zu Jesus oder gar zu Gott, kann auch die moderne Technik und unser immer schnelleres Leben im Kern nichts anhaben - die bleibt magisch und schön und seltsam. Wann sonst, wenn nicht beim Fest der Liebe, darf man diese Hoffnung haben? Aber die viel interessantere Frage wäre schon: Wie bekannt wäre die Geburt Jesu in einem Stall in Palästina heute geworden mit all der Technik, die unsere Kommunikation so verschnellert und die Welt zu einem Dorf macht? Und wäre dann nicht doch das Geheimnis der stillen, der heiligen Nacht ein wenig verloren gegangen?

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

6 Kommentare

 / 
  • F
    Fridi

    scheint aber eine sehr unvollkomene Übersetzung zu sein.

    Hätte nicht Herodes durch seine Netzüberwachungsorgane gleich den richtigen Ort gefunden und so unnötiges Blutvergiessen an anderern Kibndern verhndert werden können?

    Hätten nicht Amazon/Facebook und co gleich auf auf geheime Anweisungen hin oder aus vorrauseilendem Gehorsam die Accounts von Maria und Josef gelöscht, die Spendenaccounts von chissyleaks gesperrt und so die Weitergabe der Daten an die drei Freaks mit den Kamelen unterbunden - ihnen spätestens die Zusendung des bestellten unterbunden?

  • RW
    Raimund Wieker

    Blöde Propaganda...anstrengend! ich verstehs einfach nicht, weshalb die engstirnige Fixierung auf diesen einen Mythos immer noch als tolle Idee verkauft wird. Leute, es gibt doch viel bessere Geschichten...ich empfinde das immer mehr als kulturelle Armut, je länger ich diesen Hype beobachte - auch wenn er im hippen Gewand daher kommt.

  • V
    vinz

    Interessant, jetzt fehlt mir nur noch der Link zu dem Video... :/

  • DM
    Der Moe

    Josef hat einEN Facebook-Account...

  • SL
    Sam Lowry

    Offen gesagt: Heute würde das kein Schwein mehr interessieren... außerdem sitzen in den Psychiatrien genug Leute, die behaupten Jesus zu sein. Wen interessieren die? Und was ist, wenn der echte dabei ist? Mit Haldol ruhiggestellt... früher war alles langlebiger! Frohes Ende Dezember.

  • M
    Marvin

    Natürlich kenne ich seit jeher die Geschichten von der Hektik der Weihnachtszeit heutzutage. Und es wird wohl stimmen, stellt man Geburt & Leben Jesu dem öffentlichen Leben New Yorks oder Wuppertals im Dezember gegenüber, sind die Unterschiede frappierend und ist die Szenerie fragwürdig.

    Insofern mag es in Ordnung sein, auf jenes Phänomen im Wortgottesdienst, auf der Weihnachtsfeier und vielleicht sogar auf taz.de aufmerksam zu machen.

     

    Was ich aber schade und ein wenig wiederlich finde, ist diese stetige Aneinanderreihung gewisser Marken.

    Wie ein Mantra wiederholen sich, insbesondere auf taz.de die Begriffe "iphone", "ipad", "app," "facebook", "twitter".

     

    Ich denke, dass jedeR, der/die die existenzielle und allgegenwärtige Bedeutung dieser wenigen Markennahmen bisher nicht selbst erkennen konnte bzw. sie auch nach Lektüre einiger Lobpreisungen nicht annimmt, durch jene mantraeske Penetranz stetig-tropfend ausgehölt wird, um letztlich doch in Übergröße zu sehen, was so bedeutend gar nicht ist.

     

    "App" ?

    Eine Internetseite ändert ihr Format.

     

    "Facebook" ?

    Ja, und SchülerInnenVZ, Jappy, Stayfriends & WKW.

     

    "Twitter"?

    What the fock is Twitter?

    Ah ja: Ein Wort, das sich cool anhört.