■ Weibliche Wannenrituale: Après Sport
Ein Bad in der Wanne ist keine leichte Angelegenheit. Doch vielleicht sollte ich mich zunächst vorstellen. Ich bin nämlich Neubremerin. Und ich bin stolze Besitzerin eines Badezimmers mit Wanne. Na ja, beinahe. Denn genau genommen besitze ich nur die Hälfte des Badezimmers. Die andere Hälfte gehört Moni, meiner Mitbewohnerin. Und dieses halbe Badezimmer stellt mich vor eine große Herausforderung: Ich suche ein Ritual. Ein Wannenritual. Zur Entspannung von Muskulatur und Nerven. Und das ist, wie gesagt, kein leichtes Unterfangen.
Jahrein, jahraus habe ich nur geduscht. Deshalb bin ich ungeübt in der Messung der richtigen Badewassertemperatur. Zuerst habe ich mir den rechten Fuß verbrüht. Dann war ich so erschrocken über die Kälte, daß ich schrie und Moni kam. Es dauerte Minuten, ja beinahe Stunden, bis ich das Wasser richtig temperieren konnte. Doch dann: Was für eine Wohltat!
Doch die Behaglichkeit währte nicht lange. Ich habe die eigens für das Ritual angerührte Gesichtsmaske auf dem Kühlschrank stehen lassen. Und der Kühlschrank steht in der Küche. Und die Küche befindet sich gegenüber vom Bad. Dazwischen liegt der Kellerflur. Ich nahm all meinen Mut zusammen, entstieg der Wanne, warf mir das Handtuch um, schlich über den Flur in Richtung Küche und dachte: „Hoffentlich schaut der Nachbar nicht wieder ins Fenster!?“ Er schaute nicht. Ein schneller Griff, und es war geschafft.
Doch was war das? Die Wassertemperatur schien mir nicht mehr angemessen. Nachlauf war also angesagt. Doch was für eine Verschwendung. Überhaupt ist so ein Vollbad ökologisch bedenklich, ja geradezu völlig unökologisch, dachte ich erst und dachte dann an die Sahel-Zone, an das Klärwerk, an die vielen Milchflaschen, die nötig wären, diese Wanne zu füllen. So stieg ich wieder hinein und lag dann so ziemlich nackt in meiner halben Wanne.
Ich blinzelte durch meine Gesichtsmaske. Und wie ich da so blinzelte und schaute, sah ich meine Beine. Haare! Beinhaare! Eine Rasur wäre mal wieder fällig, dachte ich. Nicht, daß Sie denken, ich eifere irgendwelchen Schönheitsidealen nach. Ganz im Gegenteil. Meine Achselhaare zum Beispiel liebe ich. Zumindest im Winter. Nur im Sommer werden sie ein bißchen gestutzt. Aber Beinhaare? Das geht nun wirklich nicht! Theoretische Positionen hin oder her: Ich finde meine Beinbehaarung fürchterlich. Also weg damit. Aber wie? Und wann? Schließlich schwimmt niemand gern in einer Haarsuppe.
Wie wär's mit etwas heißem Wasser, dachte ich. Und stellte fest, daß ich nicht an die netten Begleitumstände für ein Vollbad gedacht habe. Musik, Teelichter, ein Gläschen Champus wurden in der Planung völlig außer acht gelassen. Vielleicht sollte ich Moni rufen, dachte ich. Und rief sie nicht. Doch auch das Buch - das Buch, das Buch - lag auf meinem Schreibtisch irgendwo ganz fern in diesem Haus. Sollte ich aussteigen? Was für ein Gedanke. Schon stellten sich Erinnerungen ein. Die Großmutter. Wie sie mich als Kind empfing, wie sie mich in ein vorgewärmtes Badelaken wickelte und nicht vergaß, mir die Fußnägel zu stutzen und meinen Körper mit Bübchen-Creme einzureiben. Ich verharrte in totaler Starre und stellte mir vor, wieviel ökologischer, zeitsparender und entspannender doch ein kurzes Duschvergnügen gewesen wäre... A. Nonyma
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