: Wege zur Seligkeit
Kann auch ich selig werden? Und wenn ja, wie? Fragen, die nur die katholische Theologie beantworten kann. Die frohe Botschaft: Es gibt viele, die den Status völlig unbemerkt und ganz ohne kompliziertes Verfahren erreicht haben. Die katholische Kirche unterscheidet deshalb zwischen dem Seligen, der durch Seligsprechung öffentlich gemacht wird, und dem so genannten stillen Seligen. Selig ist ein Mensch immer dann, wenn er heroische Tugenden als Diener Gottes gezeigt, also vorbildlich in der Nachfolge Christi gelebt hat. Mit der Seligsprechung drückt die Kirche die besondere Wertschätzung gegenüber diesem Gläubigen aus. Allerdings: Die Hürde für eine ordentliche Beatifikation (von lat. beatus, selig) ist ziemlich hoch (siehe unten).
Die Seligsprechung ist an ein striktes formales Verfahren gebunden. Dieses kann von Amts wegen oder, auf Grundlage einer Initiative, durch den Ortsbischof eingeleitet werden. Ortsbischof ist der Bischof der Gemeinde, in welcher der Anwärter beerdigt ist. Nachfolgend überprüft die Diözese die Lebensführung und – so vorhanden – den schriftlichen Nachlass des Kandidaten; auch Zeitzeugen werden befragt.
Bestätigt sich, dass der Aspirant heiligmäßig gelebt hat, werden die Akten an die vatikanische Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse weitergeleitet. Die Seligkeit des Kandidaten beweist sich entweder durch bezeugte Wunder oder durch seinen Tod als Märtyrer. Wunder sind in der Regel vom Anwärter gewirkte, medizinisch nicht erklärbare Heilungen. Als Märtyrer werden Menschen bezeichnet, die wegen ihres Glaubens und durch den Hass Ungläubiger umgekommen sind.
Die Kongregation prüft in einem langjährigen Prozess die Echtheit der vorgelegten Dokumente und die Glaubwürdigkeit der Zeugen. In einer Art kirchlichem Gerichtsverfahren tritt der Postulator (lat. für „Förderer“) als Fürsprecher auf. Als Gegenspieler sucht der Anwalt des Glaubens (früher: Advocatus diaboli, also Anwalt des Teufels), Argumente gegen die Seligsprechung zu erbringen. Die Seligsprechung selbst hat einen eher schlichten Charakter: Der Ortsbischof bittet den Papst im Rahmen einer Eucharistiefeier (ähnlich dem evangelischen Abendmahl) um die Seligsprechung des Kandidaten. Der Papst entspricht dieser Bitte durch eine bestimmte liturgische Formel (Promulgationsformel). Danach bedankt sich der Bischof für die erfolgte Seligsprechung. Sie dient als Vorstufe der Heiligsprechung.
Bei einem Heiligsprechungsverfahren wird der oben geschilderte Prozess im Prinzip wiederholt. Sprechen sich zwei Drittel der versammelten Theologen für die Heiligsprechung aus, liegt die letzte Entscheidung beim Papst. Sind alle Bedingungen erfüllt, wird der Aspirant in das Verzeichnis der Heiligen aufgenommen. Während dem Seligen nur eine regionale Bedeutung zugeschrieben wird, kann der Heilige weltweit gefeiert werden.
Unfehlbar ist die katholische Kirche in Fragen der Selig- oder Heiligsprechung allerdings nicht – sonst würde sie ja dem Jüngsten Gericht vorgreifen. Folgerichtig kann nach Auskunft des Deutschen Liturgischen Instituts selbst ein zum Heiligen erklärter Mensch doch noch in der Hölle schmoren. Morten Helbing