: Weder Zungenkuß noch Ampelkoalition
Rheinland-Pfalz vor der Landtagswahl: FDP mit einem „Ja, aber“ für die Koalition mit der CDU/ Grüne und FDP als Zünglein an der Waage/ Grüne starten späten Wahlkampf/ Ihr Slogan: „44 schwarze Jahre sind genug“ ■ Von Joachim Weidemann
Mainz (taz) — „Die Grünen“, gibt der rheinland-pfälzische FDP-Sprecher Wolfgang Lembach zum besten, „sind bei dieser Landtagswahl die Matchwinner. Egal, ob sie verlieren oder gewinnen.“ Lembach tippt —was wäre anders zu erwarten?— auf das Aus der Öko-Partei. Sein Motiv ist klar: FDP wie Grüne sind bei der Rheinland-Pfalz-Wahl am Sonntag die Mehrheitsbeschaffer der Großparteien CDU oder SPD. Bleiben die Grünen draußen, wie Lembach hofft, dann kann sich die FDP schon auf die nächste, erstmals fünfjährige Regierungsperiode freuen. Entweder an der Seite der CDU, was dem FDP-Landeschef und Mainzer Wirtschaftsminister Rainer Brüderle am liebsten wäre, oder mit der SPD, was einige Links- und Jungliberale bevorzugen, weil sie „nach 44 Jahren einen Machtwechsel in Mainz für vernünftig“ halten.
Doch die Karten dieser linken FDP-Minderheit stehen schlecht. Brüderle liebäugelt derzeit auch dann mit einer CDU-Koalition, wenn diese nur zweitstärkste Partei wird. Die FDP soll, so sein Gedanke, nicht wieder als Umfallpartei in Verruf geraten. Hauptsache dabei jedoch: Es muß mit der CDU zur Mehrheit reichen. Und wenn's dazu nicht kommt?
Brüderles Sprecher Lembach verweist bei dieser Frage diplomatisch auf den Wortlaut der FDP-Koalitionsaussage: Die FDP „will“ die „erfolgreiche Koalition“ mit der CDU fortsetzen... Sie „muß“ aber nicht. Schließlich, so der FDP-Chef, sei es zwischen den Partnern CDU und FDP „noch nicht zum Zungenkuß“ gekommen. Eine „Ampelkoalition“ jedoch, das hatte Brüderle gleich zu verstehen gegeben, „wird's mit mir nicht geben“. Er würde die Grünen viel eher „kompostieren“.
Ein liberaler Wahltriumph wäre kein Problem, würde das Land noch im Einheitstaumel schwelgen. Dann wären der FDP durchaus jene 10,4 Prozent zuzutrauen, die sie in Rheinland-Pfalz bei der Bundestagswahl 1990 erhielt. Die Grünen müßten sich dann mit 4 Prozent verabschieden. Doch das Einheitshoch wurde hier wie anderswo längst durch das Steuertief vertrieben, das auch an der FDP nicht ohne Niederschlag vorüberziehen wird.
Es seien hier daher die Ergebnisse der beiden Kleinparteien bei der Kommunalwahl 1989 als Orientierungshilfe zu beachten (vor der Steuererhöhung und der Vereinigung). 1989 kam die FDP im Landesschnitt auf 5,8 Prozent, die Grünen auf 7,4 Prozent. Nimmt man das Mittel beider Wahlgänge (Bundes- und Kommunalwahlen), so erhält man eine gar nicht so abwegige Prognose: Die Grünen bekämen danach 5,7 Prozent, die FDP 8,1 Prozent.
FDP: „Wir sind keine Kernkraftfetischisten“
Die Grünen brachten im rheinland- pfälzischen Landtag einiges in Bewegung. Als Sprachrohr der Gegner des Atomkraftwerks (AKW) Mülheim-Kärlich bei Koblenz beispielsweise sorgten sie dafür, daß nach und nach Mauscheleien bei der AKW- Genehmigung entlarvt wurden. Danach stimmte auch die SPD gegen das AKW. Unlängst ging dann — zumindest verbal — auch die FDP auf Distanz. Brüderle: „Wir sind doch keine Kernkraftfetischisten“. Nur die CDU harrt weiterhin brütend auf dem Meiler aus.
Der Fall des AKWs zeigt, was CDU und FDP gerne überspielen: Die Regierungsehe der beiden ist gar nicht so harmonisch, wie es scheint. Was die Grünen für den Landtag brachten, bedeutete die FDP in der bis dahin CDU-geführten Landesregierung: Kontrolle. Exponent dafür war jedoch weniger Wirtschaftsminister Brüderle als der eher konservativ-liberale Justizminister Peter Caesar.
Schon Caesars rare linksliberale Standpunkte — etwa in der Frage einer RAF-Zusammenlegung — genügten, den Koalitionspartner CDU vor den Kopf zu stoßen. Zuletzt jedoch — im Zuge des Pieroth-Weinskandals — verlor Caesar viel von seiner unbescholtenen Ausstrahlung. Es schien sogar, als arbeite sein Ministerium, in dem CDU-Leute nach wie vor wichtige Posten innehaben, gegen ihn.
Doch tragen FDP und CDU ihren Clinch hinter verschlossenen Türen aus. Eine Gabe, die den Grünen nicht geschenkt ist. Die Wortkeilereien zwischen einigen „Banalos“ im Landesvorstand und den Realos in der Fraktion vergraulten Wähler und fähige Grünen-Politiker wie den friedenspolitischen Sprecher Gernot Rotter, der nun auf seinen Hamburger Lehrstuhl für moderne Orientalistik zurückkehren will. Befaßt mit sich selbst, verpaßte die Partei beinahe den Wahlkampf.
Erst vor etwa zwei Monaten gab es den Hallo-Wach-Effekt. Realo-Reformer an der Basis hatten Alarm geschlagen. Plötzlich ließ sich in einer landespolitischen Erklärung sogar eine Koalitionsaussage zugunsten der SPD durchsetzen. Mit der Parole „44 schwarze Jahre sind genug“ lösten sich die rheinland-pfälzischen Grünen von ihrer SPD-Neurose.
Und während einige Linksgrüne der Partei noch unken, die Partei könne vielleicht gerade deshalb scheitern, haben Vorstand und Fraktion neuen Mut gefaßt: Sie beanspruchen bei einem rot-grünen Sieg das Umwelt- und das Sozialministerium für sich.
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