piwik no script img

Weder Folklore noch Exotik

■ Eine Filmreihe zum Auftakt der Lateinamerikatage im Quilombo

Die Lateinamerikatage nahen und zur Einstimmung finden in der Filmbühne am Steinplatz, dem Quilombo und dem K.O.B. Filmtage zum Thema statt. Cineasten sind am besten am Steinplatz aufgehoben.

Dort stehen sieben Filme auf dem Programm: »Zug nach Sao Paulo« von Helmut Dietrich und »Que vivan los Crotos« von Ana Poliak sind deutsche Uraufführungen. Der erste, ein Video der Medienwerkstatt Freiburg, beleuchtet die brasilianische Hausbesetzerszene: Kommentarlos zeigt es Erinnerungen, Berichte und aktuelle Geschehen um die Leute, die aus entfernten Gegenden Brasiliens gekommen sind, um in Sao Paulo »etwas Besseres als den Hungertod« zu finden.

»Que vivan los crotos«, der auf dem Dokumentarfestival in Havanna 1990 den ersten Preis gewann, führt Bepo, einen ehemaligen Tagelöhner und Wanderarbeiter, zurück in die dreißiger Jahre. Damals war der arbeitslose, anarchistische Steinbrucharbeiter als »Croto« ein Symbol für eine ganze Ära in der Geschichte Argentiniens. Auf Güterzügen fuhr er durch das Land und propagierte — freiwillig ausgestoßen — Freiheit ohne gesellschaftliche Organisation und ohne Eigentum. Auch der Berlinale-Beitrag »Eine Straße mit dem Namen Brasilien« von Octavio Bezerra wird noch einmal gezeigt. Entlag der Avenida Brasol, die vom internationalen Flughafen durch die Armenviertel in das Zentrum Rio de Janeiros führt, werden in brutalster Weise, halb-fiktional, halb-dokumentarisch, Szenen aus der brasilianischen Gesellschaft vorgeführt.

Im Lateinamerika-Veranstaltungszentrum Quilombo will die Film- und Videoreihe den Blick der Medien auf die »Dritte Welt« ins Visier nehmen. Vor den 500-Jahres Feiern zur »Entdeckung« Amerikas im nächsten Jahr, zu denen auch diverse Filme und Fernsehbereichte zu erwarten sind, zeigt das Programm in einem Vergleich von Fernsehfeatures über Indianer in Amazonien und in einer Diskussion über die Sterotypenbildung in Actionfilmen über »fremde Kulturen«, daß auch sogenannte kritische Filme sich nicht vom Blick auf's »Andere« freimachen können.

Das Kino im K.O.B. geginnt seine Lateinamerikareihe mit Beträgen über Frauen aus Brasilien, Mexiko und Argentinien. Bunuels »Viridiana« ist die Geschichte einer Novizin, die bei dem Versuch scheitert, dem Kloster den Rücken zu kehren. Und die Videomacherin Kristina Konrad filmte für »Por céntesima vez — Zum hundersten Mal« zwei Jahre lang Bruchstücke aus dem Leben von fünf Frauen, die am Rande einer Schlafstadt in der Nähe von Montevideo leben. Barbara Schäfer

Daten der einzelnen Aufführungen siehe unter »Kino« und »Politik«, eine Ankündigung der eigentlichen Lateinamerika-Tage folgt nächste Woche

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen