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Wechsel bei türkischer OppositionChef der Sozialdemokraten tritt zurück

Der führende Oppositionspolitiker Deniz Baykal stolpert über ein Sex-Video. Seine Partei könnte sich jetzt endlich reformieren und modernisieren.

Beklagt ein Komplott - und tritt zurück: Der türkische Sozialdemokrat Deniz Baykal ist über ein Sex-Video gestolpert. Bild: dpa

ISTANBUL taz | Die türkische Opposition erwacht aus ihrer Agonie. Am Montagmittag erklärte der langjährige Chef der größten Oppositionspartei CHP, Deniz Baykal, seinen Rücktritt. Vor drei Tagen war ein kompromittierendes Sexvideo über Baykal und eine Parlamentsabgeordnete seiner Partei im Internet lanciert worden und hatte für Aufregung gesorgt.

Baykal beklagte die Verletzung seiner Privatsphäre und sprach von einem Komplott gegen ihn. Sah es zunächst so aus, als wolle er die Affäre aussitzen, trat er dann doch zurück. Kommentatoren, die der CHP nahe stehen, gingen am Wochenende davon aus, dass das Video aus parteiinternen Kreisen stammt und Ausdruck einer massiven innerparteilichen Opposition ist.

Deniz Baykal ist seit Jahren heftig umstritten. Genau wie Premier Tayyip Erdogan seine AKP, regierte Baykal die CHP mit eiserner Faust. Widerspruch wurde nicht geduldet, innerparteiliche Demokratie fand nicht statt. Dabei führte Baykal die früher linke, sozialdemokratische CHP in den letzten zehn Jahren immer weiter nach rechts in eine mehr und mehr nationalchauvinistische Ecke. Gegen die islamische Grundströmung der regierenden AKP setzte er einen immer schrilleren Nationalismus, gepaart mit einem rückwärtsgewandten Kemalismus, der alten Staatsdoktrin der Türkei.

Baykals CHP wurde europafeindlich, minderheitenfeindlich und widersetzte sich einem Ausgleich mit den Kurden, obwohl die CHP Anfang der 90er-Jahre als erste Partei kurdische Politiker auf ihre Parlamentsliste gesetzt hatte. Viele einst führenden Köpfe der Partei wurden von Baykal ins Aus gedrängt. Damit wurde seine Truppe aber für immer weniger Menschen wählbar. Baykal hieß es, sei der beste Garant für die absolute Mehrheit der regierenden AKP und die Machtfülle Erdogans.

Mit Baykals Rücktritt besteht die Chance, dass sich die Partei modernisiert und reformiert. Trotz etlicher Versuche hatte es in den letzten Jahren keine politische Strömung geschafft, das Vakuum, das die CHP auf der Linken hinterlassen hat, zu füllen. Eine erneuerte CHP könnte bei den Wahlen 2011 Erdogan erstmals ernsthaft gefährden.

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6 Kommentare

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  • J
    JoB

    Die Zeichen mehren sich. Der Abtritt war nur Theaterdonner um sich aus der Video-Affaire zu winden. Heute wird Baykal wie folgt zitiert: "Halk ve parti tabanını gözlemleyeceğim. Halk bana dön derse dönerim." "İch richte mich auf die Parteibasis und das Volk aus. Wenn diese sagen, kehr zurück, dann komme ich zurück".

  • T
    TOM

    Haluk: Der Kemalismus war einmal gut. Heute ist es nur noch dämlicher Nationalismus der eine Annäherung an z.B die Kurden verhindert. Kemalismus war mal der Garant für eine Erholung der Wirtschaft und dessen Aufbau, für eine Annäherung an den Westen. Heute sehen wir das es die letzten Jahre nur verhindert hat das die Türkei wirtschaftlich erstarkte. Unter Erdogan ist die Türkei nach China im Durchschnitt das Land mit dem größten Wirtschaftlichen Zuwachs. Unter Erdogan erst der gegen diesen Kemalismus wie er inzwischen ist auftritt, hat die Türkei es geschafft näher an den Westen zu kommen und Beitrittsgespräche zu führen. Alles Sachen wofür dieser kemalismus früher stand, heute aber nicht mehr möchte. Mehr Europa heißt auch weniger Macht und Einfluss für die tolle Armee dort und deren Machthaber die jetzt schon um Ihre Macht bangen.

     

    Von daher kann man getrost sagen das der Kemalismus wie es HEUTE ist, tatsächlich ein Schritt ZURÜCK wäre. Nur noch ein Haufen türkischer Nationalstolz wo die rasierten Haare und die Springerstiefel noch fehlen. Damit meine ich nicht den Kemalismus wie er einmal war und wie er gedacht war von Atatürk

  • T
    Türke

    Ich finde den Rücktritt Deniz Baykals gut, nicht aber die Art und weise, und ein "Rücktritt" vom "Rücktritt" scheint leider auch schon vorprogrammiert zu sein !

    Denn Fakt ist das die CHP eben unter Deniz Baykal zu einer ultra reaktionären Partei verkommen ist, und dies sind in Zeiten der Veränderungen kontraproduktiv!

    Die Chance einer Reformierung der CHP ist gekommen, diese Chance muss ergriffen werden.

    Neue Lösungsansätze müssen definiert werden wenn man gestärkt in die Opposition gehen will.

    Bitte genießen Sie - Deniz Baykal - Ihre Rente und lassen mal neuen Ideen platz ! Das sind Sie Ihrem Volk schuldig !

     

    MfG

  • J
    JoB

    Ein Blick in die türkische Presse, lässt Vermutungen aufkommen, ob der Abtritt Baykals endgültig ist oder nur ein taktischer Schachzug um als "Retter der Partei" sich nochmals "überreden" lassen zu müssen. Die CHP scheint auf jeden Fall von der Erneuerung von der Jürgen Gottschlich träumt noch meilenweit entfernt zu sein. Zu sehr ist sie zum Baykal-Verein verkommen. Zwar hängt das Parteietablishment seine Fahne nach dem Wind und ist geübt im fliegenden Wechsel, aber das fördert nicht die Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit. Noch zu gut ist der gesellschaftliche Stillstand den meisten in Erinnerung.

  • HS
    Haluk Sisman

    Bisher habe ich immer die TAZ gelesen, weil ich glaubte, dass sie sich von dem Rest der deutschen Medien in folgender Weise unterscheidet: Ihre Berichtserstattung ueber die Tuerkei war weniger von subjektiver Meinung, als vielmehr von analytischen Kommentaren gepraegt. Dachte ich mir!!! Mit diesem Artikel hat sie, bzw. Herr J GOTTSCHLICH, das Gegenteil bewiesen. Denn Kemalismus als "rückwärtsgewandt" zu bezeichnen ist schlichtweg Zeichen Eurer Arroganz und dass Ihr nichts von Geschichte gelernt habt. Der Kemalismus war es, der den ersten Krieg gegen internationalen Imperialismus gewann und das britische Imperium auf dir Knie zwang. Der ganze Artikel riecht nach bezahlter Anti-Tuerkei Propaganda, wie man es seit Jahrzehnten von jeglichen deutschen Medien gewohnt ist. Ihr seid alle gleich.

  • A
    Ali

    die CHP ist nicht Sozialdemokratisch sondern Militaristisch und Republikanisch.

     

    lg