Website zeigt herrenlose Obstbäume: Freies Obst für freie Bürger
Auf mundraub.org kann jeder den Standort von herrenlosen Obstbäumen eintragen. Täglich kommen 50 bis 100 neue Bäume dazu.
Es gibt so Projekte, die klingen wie von Journalisten ausgedacht, um darüber zu schreiben. Da ist also mundraub.org, eine Internetseite (Internet!) auf der jeder die Standorte von herrenlosen Obstbäumen eintragen und einsehen kann (User Generated Content!), auf dass die Früchte nicht verfaulen, sondern geerntet werden (Nachhaltigkeit!), und wir alle mehr Obst aus der Region essen, anstelle Importäpfeln aus Neuseeland zu futtern (noch mehr Nachhaltigkeit!!!).
Bei einer Kanutour durch Sachsen-Anhalt entstand die Idee, im September 2009 war die erste Version von mundraub.org online. Zentrales Element ist eine mit Googlemap erstellter Karte voller verschiedenfarbiger Pins, die Mirabelle, Kirsche, Birne und Maulbeere voneinander unterscheidbar machen – rund 1.000 Fundstellen sind schon verzeichnet.
Das Verzeichnis reicht bis Lanzarote, die meisten Einträge finden sich aber im Großraum Berlin. Hier lebt auch das Team von mundraub.org: fünf Thirtysomethings, die ihr Geld unter anderem als freiberufliche Grafikdesigner, Windberater, Programmierer und Online-Biopfeffer-Händler verdienen.
Mit ihrem Namen spielt die Seite auf den 1975 in Deutschland abgeschafften Straftatbestand des Mundraubs an – der Entwendung von Lebensmitteln in geringer Zahl für den Eigenbedarf. Denn die öffentliche Apfelpflückerei befindet sich in einer rechtlichen Grauzone: Privatbäume sind privat – sie werden deshalb auch nicht verzeichnet. Bäume auf öffentlichem Gelände gehören normalerweise dem Landkreis oder der Gemeinde, auf dem sie stehen. "Die meisten Landräte sagen aber: Solange sich jeder ein bisschen pflückt, ist es okay", sagt Mirco Meyer vom Mundraub-Team.
So nachhaltig wie die Grundidee ist auch die Pflege der Seite: rund 50 bis 100 Bäume tragen die Nutzer inzwischen pro Tag ein – und alle werden gegengecheckt. "Wenn uns was komisch vorkommt, wenn etwa ein Baum auf einer gemähten Wiese steht oder nah an einem Wohnhaus, prüfen wir das", sagt Mirco Meyer. Im Zweifelsfall kommt die Fundstelle nicht auf die Seite.
Auf mundraub.org wird darauf hingewiesen, dass nur für den Eigenbedarf gepflückt werden soll. Sorgen, dass durch die wachsende Bekanntheit die Bäume zu schnell leergeerntet werden, hat Meyer daher nicht: "Wir sehen das nicht als Problem. Im Gegenteil, durch die größere Community wächst auch die Verantwortung."
Und außerdem "gibt es verdammt viele Bäume. Da müssen wir schon sehr groß werden, damit alles aufgegessen wird".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen