Webseite über Parlamentarier-Nebeneinkünfte: Die große Lobbyisten-Suche
Eine unabhängige Webseite macht die Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten transparent. Politische Schlüsse kann jeder selbst ziehen.
Oben auf der Webseite prangt das Foto einer Sitzungspause im Bundestag: Abgeordnete stehen in lockeren Grüppchen zusammen, beugen sich über Papiere oder sind in ein Handygespräch vertieft. Nur ein Schelm würde den Verdacht hegen, einige dieser Parlamentarier würden vielleicht gerade einer gutbezahlten Nebentätigkeit nachgehen, die nichts mit ihrem Mandat zu tun hat. Und doch: Wer wissen will, wie viel unsere Abgeordneten dazuverdienen, ist hier genau richtig. Nirgends findet man Angaben über Nebenjobs und Arbeitgeber der Abgeordneten so schnell und übersichtlich wie auf der Internetseite //Oben:www.nebeneinkuenfte-bundestag.de.
Mit ihrem schlichten, seriösen Layout könnte man sie fast für eine offizielle Website des Bundestages halten. Doch auf die Idee, den Bürgern einen einfachen Zugriff auf ihre Daten zu ermöglichen, sind die Parlamentarier nicht selbst gekommen. Sie entstand am Küchentisch einer Studenten-WG in Berlin Kreuzberg.
"Der Anspruch der neuen Transparenzregeln ist ehrenwert, aber die Umsetzung lässt zu wünschen übrig," sagt Henning Wolf, frischgebackener Magister Atrium der Kulturwissenschaften, der die Webseite gemeinsam mit zwei Freunden konzipiert hat. "Solche Informationen bleiben, solange sie nicht systematisch erfasst und benutzerfreundlich aufbereitet werden, für den Bürger praktisch wertlos."
In der Tat: Zwar müssen alle Bundestagabgeordneten seit Juli letzten Jahres ihre Nebeneinkünfte offen legen, aber man findet diese Angaben nur bürokratisch-verklausuliert auf ihren jeweiligen Einzelprofilen. Wer sich einen Überblick verschaffen will, muss sich durch rund sechshundert Seiten klicken.
Bei nebeneinkuenfte-bundestag.de hingegen findet man alle relevanten Informationen auf einen Blick: Aktuelle "Hitlisten" präsentieren sowohl die Parlamentarier mit den höchsten Nebeneinkommen, als auch die Unternehmen, die die meisten Abgeordneten unter Vertrag haben. Wer die Suchmaschine beispielsweise mit "Daimler Chrysler" füttert, erfährt, dass Otto Schily sich im Mai 2006 einen Vortrag für den Konzern mit mindestens 7000 Euro vergüten ließ.
"Als wir unsere Seite im letzen Jahr online gestellt haben", erinnert sich Henning Wolf schmunzelnd, "setzte die dpa gleich ein paar Journalisten auf uns an". Die Nachrichtenagentur vermutete, dass hinter der seriösen Fassade eine politische Gruppierung stehe, die bestimmte Politiker als Handlanger der Wirtschaft bloßstellen wolle. "Als die dann auf uns stießen, waren sie enttäuscht, weil das keine gute Story abgab."
Zwar haben sich Henning Wolf und seine beiden Freunde Janek Jonas und Jonas von Poser, die sich um die Gestaltung und Programmierung von nebeneinkuenfte-bundestag.de kümmern, bei einer Hochschulgruppe von Attac kennen gelernt. Der Seite merkt man das jedoch nicht an. Henning Wolf, verantwortlich für die Inhalte, legt großen Wert darauf, dass den Benutzern keine politische Meinung aufgedrängt wird. "Wir werten nur die von den Abgeordneten selbst zur Verfügung gestellten Angaben aus," erklärt Wolf. Dabei ergab sich beispielsweise, dass ein Abgeordneter der CDU/CSU im vergangenen Jahr durchschnittlich über 227 Mal so viel dazu verdiente wie eine Abgeordnete der Grünen. Wolf: "Die politischen Schlussfolgerungen muss der Nutzer selbst ziehen."
Gerade durch ihr betont funktional-sachliches Konzept hat die Webseite der drei Mitte-20jährigen Berliner viel Lob erhalten - auch von unerwarteter Seite: So empfahl das Manager-Magazin die Seite ironisch allen Lobbyisten auf der Suche nach Abgeordneten, die noch "zu haben" sind. "Nehmen wir an, Sie suchen unter den angebotenen Abgeordneten einen Spezialisten für Medikamentenzulassung. Da müssen Sie ja nicht gleich zu dem Politiker gehen, den schon die Konkurrenz korrumpiert.", heißt es lapidar.
Dennoch wollen die drei Kreuzberger ihre Seite durchaus als Kritik an der bestehenden Gesetzgebung verstanden wissen. Denn nach der jetzt geltenden Regelung müssen die Abgeordneten ihre Nebeneinkünfte nur in sehr groben Kategorien angeben. Die höchste lautet "über 7000 Euro" - auch wenn das tatsächliche Einkommen um ein vielfaches darüber liegt. Eine präzise Einschätzung dessen, was die Parlamentarier wirklich dazuverdienen, kann deshalb noch immer nicht getroffen werden. Henning Wolf und seine Freunde schließen sich somit der Kritik von Bürgerrechtsorganisationen wie Transparency International an: "Das Gesetz muss revidiert werden!"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen