: „Watt stirbt nicht“
■ Forscher dementieren Horrorvisionen
Wilhelmshaven. Die ausgedehnten „Schwarzen Flecken“ im deutschen Wattenmeer sind nach Ansicht von Forschern des Wilhelmshavener Senckenberg-Instituts Folge einer „normalen“ Naturkatastrophe. Es handele sich dabei nicht um Signale für einen drohenden Tod der biologisch wertvollen Zone. „Das Watt stirbt mit Sicherheit nicht“, erklärte am Dienstag der Leiter der Institutsabteilung für Meeresforschung, Prof. Burghard Walter Flemming. Es befinde sich nach einem Zusammentreffen verschiedener Faktoren zwar in einer akuten Krise. Schreckensmeldungen, „Horrorszenarios“ und Sorgen von Urlaubern um ihre Gesundheit rechtfertige der Vorgang jedoch keinesfalls.
Nach Überzeugung der Senckenberg-Forscher enstanden die Schwarzen Flecken so: In einem der strengsten Eiswinter der vergangenen Jahrzehnte starben viele Lebewesen auf weiten Wattflächen, darunter Muscheln und Röhrenwürmer. Mit ihnen verschwanden die Konsumenten für das im Frühjahr blühende Plankton. Die nach dem Tod ihrer „Abnehmer“ überschüssigen Algenmassen gingen zugrunde und lagerten sich in Teppichen auf dem Watt ab. Die absterbende Biomasse - darunter vor allem Kieselalgen – verzehrte den Sauerstoff in ihrer Umgebung und bildete Schwarze Flecken.
Die vom Algensterben hervorgerufene, von warmen Temperaturen gesteigerte Sauerstoffnot habe dann die noch lebenden Wattbewohner aus ihren Bauten getrieben, hieß es weiter von Seiten des Wilhelmshavener Instituts. Weil aber auch im bodennahen Wasser inzwischen Sauerstoff fehlte, seien sie trotz der Flucht aus der Tiefe verendet. Derartige Ereignisse kämen in der Natur in größeren Zeiträumen immer einmal wieder vor, erklärte Flemming. Vergleichbar seien sie mit Waldbränden, die von Blitzschlägen ausgelöst werden.
Die von derartigen Katastrophen heimgesuchten Systeme erholten sich in der Regel sehr schnell wieder. Spätestens die nächsten Herbststürme werden nach Ansicht des Meeresforschers für eine Wiederbelebung des Watts mit Sauerstoff sorgen. Sofern keine weitere Katastrophe hinzukomme, sei für das kommende Frühjahr wieder mit „normalen“ Verhältnissen zu rechnen. Diese Prognose gelte auch für den Fall, daß im Sommer eine zweite Krise durch eine ausgedehnte Grünalgenbedeckung des Watts eintrete.
Die Überdüngung der Nordsee sei an der aktuellen Entwicklung höchstens am Rande beteiligt, nicht jedoch die Ursache, meinte Flemming. dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen