■ Was wollen die Besetzer?: Mietfreies Wohnen ist utopisch
Frank Adloff, 27 Jahre, Soziologe
Besetzer wollen leerstehenden Wohnraum nutzen. Das ist legitim und ein geeignetes Mittel, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Aber ihre Forderung, mietfrei zu wohnen, ist utopisch. In der Kreutzigerstraße war ich bei einem Fest mit viel Bier und vielen Hunden. Für die Besetzerszene sind das die neuen Kulturhäuser im Kiez. Aber für den Normalbürger sind sie wahrscheinlich nicht offen genug.
Daniel Lange, 15 Jahre, Schüler
Die fordern ein Bleiberecht in ihren Häusern. In meiner Gegend kenne ich keine Hausbesetzer. In letzter Zeit bekomme ich auch nichts mehr von denen mit. Aber am Ersten Mai fliegen immer Steine gegen die Polizei. Man kann sich viel Ärger ersparen, wenn man nicht in so ein Haus zieht, manchmal gibt es einen Besitzer. Ich werde nicht Besetzer, oft ist ja auch Gewalt mit im Spiel.
Silvia Zabel, 36 Jahre, Reinigungskraft
Es gibt vernünftige Hausbesetzer, mit denen man sich ganz normal unterhalten kann, und solche, die nur auf Randale und Anrempeln aus sind. Ich habe vor allem mit Hundebesitzern Erfahrungen gemacht. Mit den netten kann man sich über ganz normale Dinge wie Arbeit oder Wohnung unterhalten. Aber deren Forderung kenne ich nicht so genau. Das interessiert mich nicht.
Thorsten Wichert, 29 Jahre, Student
Ihre Anti-Haltung gegen unsere Gesellschaft ist der Grund für sie, Häuser zu besetzen. Ich finde es toll, daß die hier wohnen, weil sie das Straßenbild auflockern. Viel Farbe anstelle der spießigen, neuen und durchgestylten Bauten. Es lockert den Kiez auf, und sie machen ihn lebhafter. Die Besetzer haben eine andere Lebensart. Mit den Forderungen kenne ich mich nicht so gut aus.
Annegret, Krumnow, 28 Jahre, Mutter
Denen sind die Mieten einfach zu hoch, die können sie nicht bezahlen. Unter den Besetzern sind Studenten und alleinerziehende Mütter. Ich bin Exhausbesetzerin. Wir haben einen Mietvertrag für Eigensanierung bekommen. Damals war mit Besetzerkultur noch nicht viel los, kurz nach der Wende. Heute gehe ich mit meinen Kindern zu den Straßenfesten, das ist so ein Kulturersatz im Kiez.
Petra Stern, 33 Jahre, Apothekenhelferin
Sicherlich stören sie die hohen Mieten, aber die stören uns auch. Ich hatte noch gar keinen direkten Kontakt mit Hausbesetzern. Aber die an der U-Bahn stehen und Geld erbetteln, die sind immer freundlich und wünschen einen schönen Tag. Zu einem Kinderstraßenfest könnten meine Kinder gehen, wenn ich dabeisein darf. So ein bißchen Angst hätte ich schon. Es fehlt halt der Kontakt im Alltag. Text: Torsten Teichmann
Foto: Annette Walter
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