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Archiv-Artikel

Was, wenn es al-QETA war?

Die Ermittlungen in Spanien zeichnen bisher ein verworrenes Bild: blonde Männer, ETA-Fingerabdrücke und eine Korankassette

AUS MADRID REINER WANDLER

Kannte der spanische Innenminister Angel Acebes bis spät am Donnerstagabend „keine Zweifel an der Urheberschaft der ETA“ bei der Anschlagserie auf Pendlerzüge in der Hauptstadt Madrid, klangen die Erklärungen am Freitag früh schon vorsichtiger. „Ermittlungen in alle Richtungen“ fänden statt, um herauszufinden, wer der Urheber der Bombenserie war, die 198 Menschen tötete und über 1.500 verletzte.

Ermittlungsbehörden und Regierung legten sich schon kurz nach den Anschlägen auf die ETA fest. Der Modus Operandi trage die Handschrift der baskischen Separatisten. Diese haben seit Ende eines 18-monatigen Waffenstillstands immer wieder versucht, große Schläge gegen Madrid auszuüben. So wollte man die Regierung buchstäblich an den Verhandlungstisch zurückbomben.

Die spanische konservative Zeitung ABC glaubt an einen Machtkampf innerhalb der von einer Verhaftungswelle stark geschwächten ETA zwischen denen, die sich zugunsten einer politischen Initiative zurückhalten wollen, und denen, die „einen qualitativen Sprung“ suchen. Der Anschlag der „Wahren IRA“ 1998 in Omagh mit 29 Toten zeigt, wie eine solche blutige Flucht nach vorn aussehen kann.

Nach ersten Untersuchungen stimmen sowohl der Sprengstoff als auch die Zünder, die bei dem Anschlag auf die Züge zum Einsatz kamen, mit dem Material überein, das üblicherweise von der ETA benutzt wird. Außerdem beschreiben Reisende einen blonden Mann, der ihnen in Alcala de Henares, wo die 13 Rucksäcke mit acht bis zehn Kilogramm Dynamit in die Züge gebracht worden waren, aufgefallen ist. Zwei weitere Verdächtige sollen auf den Videoaufnahmen des Bahnhofs ausgemacht worden sein. Bei keinem, heißt es, handle es sich um Araber. Insgesamt sollen mindestens acht bis zehn Terroristen an der Aktion beteiligt gewesen sein.

Die These von der ETA als Verantwortlicher kam erstmals ins Wanken, als der Sprecher der verbotenen radikalnationalistischen Baskenpartei Herri Batasuna, Arnaldo Otegi, vor die Presse trat. Sechs Stunden nach den Explosionen schrieb er die Tat dem „arabischen Widerstand“ zu. Noch taten die Ermittlungsbehörden dies als „Vergiftungskampagne“ ab, als in Alcala de Henares ein Lieferwagen gefunden wurde, der am 28. Februar gestohlen worden war. Auf dem Beifahrersitz befanden sich 7 Zünder und Spuren von Sprengstoff sowie mehrere Kassetten. Eine soll Korangesänge enthalten.

Gestern dann veröffentlichte die in London erscheinende arabischsprachige Tageszeitung Al-Quds al-Arabi ein Kommunikee der Brigaden Abu Hafs al-Masri, die auch für die Anschlagserie in Istanbul verantwortlich zeichneten. „Es ist uns gelungen, uns in das Herz des Kreuzfahrer-Europas einzuschleusen und einen Schlag gegen eine der Basen der Kreuzritter zu führen“, heißt es in dem per E-Mail eingegangenen Text zu den „Todeszügen“. Es bestehen jedoch berechtigte Zweifel, ob die Botschaft ernst zu nehmen ist. Denn diese Gruppe veröffentlichte auch nach dem großen Stromausfall an der US-amerikanischen Ostküste im August diesen Jahres – eine schlichte Panne – ein Bekennerschreiben.

Weiter bekannte sich eine Gruppe „Löwen von al-Mufridoon“ zu dem Blutbad in Madrid. Die bisher unbekannte Gruppe, „bestehend aus Tunesiern, Marokkanern und Algeriern“, erklärte von Dubai aus, sie habe sich „dem Kampf gegen die Kreuzritter“ angeschlossen. Die Gerichtsmediziner haben bisher keinerlei Spuren, die auf Selbstmordattentäter hinweisen, gefunden.

Aus in der Regel zuverlässigen Geheimdienstkreisen sickerte gestern durch, dass in dem Lieferwagen in Alcala Fingerabdrücke gefunden wurden, die mit denen mutmaßlicher ETA-Aktivisten übereinstimmen. Das Gleiche sei bei einer Rucksackbombe der Fall, die nicht explodierte. Diese Funde würden Spekulationen um eine eventuelle gemeinsame Aktion von ETA und radikalen arabischen Kreisen neuen Auftrieb geben.