: Was tun?
Die AL und ihr Clinch ums Wahlkampf-Programm ■ K O M M E N T A R
Einen Fundi-Realo-Konflikt will die AL jetzt kurz vor dem Wahlkampf „tunlichst vermeiden“. Deshalb streitet man jetzt über Formales: Kurz oder Lang, peppig oder reflektiert - ist das die wirklich zentrale Frage? Klartext wagte kaum jemand am Mittwoch abend zu reden. Zu groß scheint die Angst vor einer Zerreißprobe und möglicherweise vor einer grundsätzlichen Klärung des eigenen Selbstverständnisses, das die Partei nach zehn Jahren weniger denn je beantworten kann. Die Spiegelstrich-Ideologie, das Hoch-Mit-Nieder-Mit ist schon lange obsolet und wenig glaubwürdig. Solange es so etwas wie ein alternatives „Wir-Gefühl“ gab, war die Frage nach Perspektiven, nach programmatischen Grundlagen weniger drängend. Heute fehlt eine Klammer, die diese Partei zusammenhält, die einst als kreatives Regenbogensammelsurium antrat und auf die „bunte Vielfalt“ stolz war. Ob diese Mischung aus ehemaligen K-Grüpplern, SEWlern, Bürgerinitiavlern, Frauen- und Friedensbewegten je „auf Linie“ gebracht werden kann, ist fraglich. Fraglich ist aber auch, ob die Flucht in die „konkrete Utopie“ weiterhilft oder in den männlich-kraftmeierischen Pathos des Klassenkampfes.
Die AL ist als parlamentarisch-außerparlamentarischer Zwitter gegründet worden. Diese Zwickmühle muß sie lösen und nicht die Frage nach einem kurzen oder langen Wahlkampf -Programm. Wer glaubt schon einer Partei, die im selben Atemzug die Abschaffung der Knäste und mindestens zwei Jahre Gefängnis für Vergewaltiger fordert.
Birgit Meding
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen