Was tun?: Solidarität in Zeiten von Corona

Gerade jetzt gilt es dran zu bleiben, wo nötig Widerspruch einzulegen und praktische Solidarität zu üben. Jetzt gilt Handeln statt Hamstern!

Es braucht Zusammenhalt, trotz körperlicher Distanz Bild: dpa

Corona ist eben nicht ein großer Gleichmacher: Ältere Menschen, Personen mit ohnehin schweren Krankheitsbiografien und Menschen mit schlechtem Zugang zum Gesundheitssystem haben bei einer Infektion einen besonders schweren Verlauf zu befürchten.

Auch Bildungs- beziehungsweise Informationszugänge, Sprachbarrieren und der Zugang zu hochwertiger Ernährung spielen eine Rolle. Der gebotene Rückzug trifft wiederum jene besonders hart, die mit Einsamkeit kämpfen oder häusliche Gewalt zu befürchten haben.

Und: Corona dominiert die Aufmerksamkeitsökonomie, während an der EU-Außengrenze die Menschenrechte außer Kraft gesetzt werden und im Land der Rassismus weiter schwelt.

Gerade jetzt gilt es dran zu bleiben, wo nötig Widerspruch einzulegen, zu verhindern, dass die Herrschenden und Rechten den Notstand für ihre politischen Zwecke ausnutzen und praktische Solidarität zu üben. Jetzt gilt Solidarität statt Hamstern!

Ideen, wie das gelingen kann, wollen wir in den nächsten Tagen an dieser Stelle sammeln. Wie unterstützt ihr andere in der Krisenzeit? Was geht in eurerm Ort? Wie sieht Protest in Zeiten des Social Distancing aus?

Schreibt uns unter bewegung@taz.de oder @bewegungsteam.

1) #Nachbarschaftschallenge und Unterstützung von Corona-Arbeiter*innen

Wenn es die eigenen Möglichkeiten zulassen, kann mensch Nachbar*innen, die zu einer Risikogruppe gehören, anbieten, Einkäufe zu erledigen oder anderweitig zu helfen. Auf dem Aushang, den ihr ins Treppenhaus oder an der Straße aufhängen könnt, sollte stehen, wer angesprochen ist, worum es geht und welche Hilfestellungen ihr leisten könnt. Dazu eine Kontaktmöglichkeit. Achtet darauf, dass ihr den gefährdeten Personen dabei nicht zu nahe kommt und kümmert euch am besten kontinuierlich um eine Person beziehungsweise einen Haushalt. Eine Vorlage für einen solchen Aushang findet ihr unter soziale-arbeit.digital und mehrsprachig unter unverwertbar.org.

Eine bundesweite Übersicht von solidarischen Nachbarschaftsgruppen auf Telegram findet ihr hier bei Listling.

Der Verein Münchner Freiwillige und die Bremer Initiative Nachbarschaftshilfe-HB haben Vermittlungstelefone eingerichtet, das Karada House bietet Hilfe für queere Menschen, Frauen* und anderweitig marginalisierte Menschen in Berlin an. In Freiburg und Umgebung findet mensch hier Hilfe. Auch auf der Plattform der Initiative Reutlingen for Organization, Solidarity and Actions und auf QuarantäneHelden.org kann mensch Hilfsangebote und -gesuche eintragen. Die VfB-Ultras wiederum haben Hilfstelefone für den Landkreis Rems-Murr (015734453008) und Stuttgart Stadt (015734452998) eingerichtet.

Auch in Frankfurt/M., Oberursel, Lüneburg, Hannover und Wien gibt es Soliaktionen.

In der Schweiz organisieren sich Gruppen über die Seite hilf-jetzt.ch.

Die Bremer Nachbarschafthilfe erklärt sich nicht nur mit Risikogruppen solidarisch, sondern will auch den Beschäftigten der Bremer Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen mit Fahrdiensten, Kinderbetreuung und Einkäufen zur Seite stehen. Zu erreichen ist die Nachbarschaftshilfe-HB unter den Telefonnummern 015779881572 und 015750787358.

Die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie bietet Eltern, Kindern, Jugendlichen und Fachkräften, die in „systemrelevanten“ Handlungsfeldern“ tätig sind, während der Krisenzeit telefonisch und per Video qualifizierte systemische Beratung beziehungsweise Supervision an, die helfen soll, die nächsten Wochen gut zu überstehen. Infos zum Beratungspool gibt es hier.  

Ausgebildete Berater*innen, die ehrenamtlich helfen möchten, werden über die Plattform systemischeunterstuetzung.de vermittelt.

Die Solidarischen Psycholog*innen Bremen bieten Krankenhaus- und Pflegebeschäftigten unter 0152 24155312 Unterstützung bei psychischen Belastungsreaktionen an. Das Motto: Sie sind in einer Ausnahmesituation, aber nicht allein.

2) Solidarische Infrastruktur für solidarische Aktionen

Der Ausnahmezustand darf nicht den Faschist*innen überlassen werden! Das linke Netzwerk und Technikkollektiv systemli.org hat Möglichkeiten gesammelt, wie Plena oder Bündnistreffen digital umgesetzt werden können, ohne sich in einem Raum zu treffen. Hier findet ihr Infos und Links

Coview Wien widmet sich der Beobachtung von aktuellen Verschiebungen in Gesetzeslagen, Diskursen und dem gesellschaftlichen Umgang.

3) Hinschauen bei häuslicher und sexualisierter Gewalt

Wichtig ist jetzt für alle: hinschauen, präsent sein und betroffenen Personen Unterstützung anbieten, denn Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen rechnen in den nächsten Wochen mit einer deutlichen Zunahme häuslicher und sexualisierter Gewalt.

Unter frauen-gegen-gewalt.de und 08000 116 016 gibt es mehrsprachige Beratung.

4) Wohnungslose Menschen nicht vergessen

#Zuhausebleiben können nur Menschen, die ein Zuhause haben. Die Koordinierungsstelle der Berliner Kältehilfe schreibt uns: „Die Lage bei der Versorgung wohnungsloser Menschen spitzt sich in Berlin leider weiter zu. Wir laufen Gefahr, künftig unseren Versorgungsauftrag nicht mehr hinreichend erfüllen zu können. Ich denke, die Bevölkerung kann die Augen offen halten und obdachlosen Menschen gerne Essen und Getränke, allerdings in originalverpackter hygienischer Form, anbieten. Desweiteren könnte es helfen, wenn Bürger*innen telefonisch Kontakt zu den Versorgungsstellen (Tagesstätten usw.) für obdachlose Menschen aufnehmen, siehe www.kaeltehilfe-berlin.de und Hilfe in Form von (verpackten) Lebensmitteln und Hygieneartikel anbieten.“

Vom Textilhafen der Berliner Stadtmission hören wir, dass dringend Winterbekleidung für Männer benötigt wird, also lange Hosen, Pullover, Winterjacken. Abgeben könne man die Spenden beim Textilhafen in der Storkower Str. 139D, der Fixpunkt-Kleiderkammer am Leopoldplatz (Nazarethkirchstraße 50/2) oder bei jeder anderen Kältehilfeeinrichtung. Da es durchaus sein könnte, dass die Einrichrungen in Kürze Corona-bedingt von den Gesundheitsämtern geschlossen werden, sind insbesondere auch Isomatten und Schlafsäcke erbeten.

Die KARUNA-Obdachlosenlotsen zahlen momentan täglich 5 Euro direkt an die Betroffenen aus. Hier könnt ihr die Soforthilfe unterstützen.

Die Schlafplatzorga vermittelt in Berlin seit fünf Jahren temporäre Schlafplätze in privaten Wohnungen an obdachlose Migrant*innen und Geflüchtete, die strukturell vom Wohnungs- und Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden. Leider gibt es keinen Weg festzustellen oder zu garantieren, dass die vermittelten Personen nicht bereits angesteckt sind. Es gilt daher zu überlegen, ob ihr dieses Risiko eingehen könnt und wollt und alle Vorsichtsmaßnahmen in der gemeinsamen Zeit zu beachten. Wenn ihr euch vorstellen könnt jemanden aufzunehmen, schreibt eine E-Mail an sleepingplaceorga@systemli.org.

5) Menschen auf der Flucht nicht vergessen

#LeaveNoOneBehind muss jetzt nicht nur für Wohnungslose gelten, sondern auch für Menschen auf der Flucht. Überfüllte Lager wie das in Moria auf Lesbos müssen schnell evakuiert werden. Das griechische Festland braucht dabei ebenso Unterstützung wie die Menschen auf den griechischen Inseln. Viel zu lange haben wir die Menschen dort im Stich gelassen. Eine Petition an die EU und die EU-Regierungen findet ihr hier.   

6) Information is key

Koronavirüs Almanya‘daki yaşamı durdurdu. Nasıl korunabilirim? İhtiyaçlarımı nasıl karşılayabilirim? Okullar kapandı, çocuklar ne yapacak? İşyerim kapatıldı, maddi zararı kim karşılayacak? Salgın ve sonuçları hakkında bilmeniz gerekenler. taz gazete ve taz iki‘nin ortak çalışması.

Die taz will dazu beitragen, Infos zu COVID-19 für mehr Menschen zugänglich zu machen und beginnt mit Türkisch, Russisch, Arabisch und Leichter Sprache

Kurze Info-Flyer der Johanniter auf Englisch (PDF), Dari (PDF), Arabisch (PDF), Farsi (PDF), Türkisch (PDF), Russisch (PDF), Italienisch (PDF) und Französisch (PDF) hat der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bereitgestellt.

Gebt nur Informationen aus verlässlichen Quellen weiter, solche aber auch aktiv an Menschen, die eventuell einen eingeschränkten Zugang zu Infos und Handlungsempfehlungen haben.

Auf der Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung findet ihr Infos in Gebärden- und Leichter Sprache, beim Robert-Koch-Institut Grundlegendes auf Deutsch und Englisch.

 7) Existenzen sichern

Das Coronavirus trifft Arbeitnehmer*innen, Eltern und Kleinselbstständige auf unterschiedliche Weise. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Arbeitsrechtslage hat unsere Redakteurin für Soziales und Gesellschaft hier zusammengefasst.

Die Freie Arbeiter*innen Union (FAU) Berlin warnt auf Twitter vor Versuchen der Arbeitgeberseite, Verträge mit Verweis auf die Corona-Krise zu ändern oder aufzulösen. „Unterschreibt nichts, ohne euch vorher Beraten zu lassen. Nehmt Kontakt zu eurer lokalen Gewerkschaft auf!“, meint die FAU. Jeden zweiten und vierten Freitag im Monat berät die FAU Berlin von 17–18.00 Uhr telefonisch. Anmeldungen vorab per E-Mail an faub-beratung@fau.org.

Hier findet ihr FAU-Kontakte in anderen Regionen.

Eventuell ist für freiberufliche Künstler*innen, Musiker*innen, Schauspieler*innen und Gastro-Mitarbeiter*innen die bezahlte Assistenz von Menschen mit Behinderung eine Option. Der Verein Ambulate Dienste Berlin möchte mit einem solchen Angebot das selbstbestimmte Leben seiner Klient*innen absichern.

Existentiell ist für viel zu viele Menschen auch die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Kleidung durch die Tafel-Vereine, denen derzeit alledings die Spenden wegbrechen. Wie ihr am besten die Arbeit der Tafeln unterstützen könnt, erfahrt ihr hier.

8) Unabhängige Kulturorte sichern

Viele linke Kultureinrichtungen fürchten in diesen Tagen um ihre Existenz und bitten um finanzielle Unterstützung. Hier könnt ihr für das S036, das SchwuZ und das about:blank in Berlin spenden. Streams hören und für einen Berliner Kultur-Notfonds spenden, der auch dem Mensch Meier zugute kommen soll, könnt ihr hier.

Die Szene in Hamburg und Umgebung hat sich auf clubsagainstcorona.de zusammengetan. Die Maxime: Virtuell feiern gegen den Fall!

9) Solidarisches Mundschutz-Tragen und Basteln

„Ich trage auch beim Einkaufen und in der U-Bahn einen Mundschutz. Manche lachen dann über mich und sagen, nur Kranke würde so einen Mundschutz tragen. Ich glaube, das ist ein kultureller Unterschied zwischen Asien und Europa, zwischen Hongkong, wo ich herkomme, und Berlin“, erklärte die ehrenamtliche Kälthelferin Charlotte Wong kürzlich in der taz.

Das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes ist momentan ein solidarischer Akt, denn dadurch sinkt das Risiko ungewollt eine besonders verwundbare Person anzustecken. Um medizinische Ressourcen dem Pflege- und Krankenhauspersonal zu überlassen, kann mensch sich so ein Ding auch selbst basteln. Die Stadt Essen stellt eine Anleitung zur Verfügung.