Was nicht ins deutsche Selbstbild passt : KOMMENTAR VON STEFAN REINECKE
Es gibt in Deutschland Gegenden, in denen Schwarze um Fußballplätze und Bahnhöfe besser einen großen Bogen machen. Solche No-go-Areas liegen keineswegs nur, aber vor allem im Osten. Dass sich Nichtdeutsche oder nichtweiße Deutsche dort kaum gefahrlos bewegen können, ist ein Skandal – und nicht, dass Ex-Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye dies kritisiert hat.
Eigentlich hat er nur das Offenkundige ausgesprochen – und damit eine verblüffende Debatte ausgelöst. Mal wieder verteidigen ostdeutsche Politiker wie Matthias Platzeck das Ansehen ihres Landes. Der brandenburgische Innenminister Schönbohm meint sogar, dass solche Gegenden schlicht nicht existieren. Abwiegeln, verdrängen, kleinreden – manche erwecken in der Debatte gar den Eindruck, als hätten wir es mit einer Art Linkskampagne zu tun, die das (ost-)deutsche Image in den Dreck ziehen will.
So ist es nicht. Im Bericht des Brandenburger Verfassungsschutzes von 2005 werden 17 Orte aufgezählt, an denen rechtsextreme Subkulturen aktiv sind, die spontan auf alles losgehen, was anders aussieht als sie selbst. Vorgestellt hat den Bericht übrigens Jörg Schönbohm.
Die Amnesie, die nicht nur die Brandenburger Regierung so heftig heimsucht, ist wohl ein WM-Phänomen. Deutschland will sich dem Ausland mit Macht freundlich und weltoffen präsentieren. Deshalb gilt mal wieder: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Allerdings reicht es nicht, sich über die Verdrängungskünste von Schönbohm & Co. zu empören. Mit moralischem Tremolo ist gegen rechte Gewalt nicht viel auszurichten. Gegen Rassismus hilft es nicht, Recht zu haben. Gegen Rassismus hilft nur konkrete, ausdauernde, unspektakuläre Arbeit vor Ort. Von solchem zivilgesellschaftlichem Engagement gibt es im Osten, zum Glück, mehr als früher.
Und trotzdem existieren weiterhin No-go-Areas. Wer das leugnet, nur weil es nicht ins deutsche Selbstbild passt, macht es noch schlimmer. Erschreckend ist nicht, was Heye gesagt hat. Erschreckend sind die Reaktionen darauf. Wir waren, was die Debatte um rechte Gewalt angeht, in dieser Republik schon mal weiter.