: Was ist ein Magazin
Über Wundertüten, Mahler und Sumac
von JAN FEDDERSEN
Das Wort Magazin erklärt der Brockhaus mit „Vorratsraum“. Es stammt aus dem Arabischen und bezeichnete ursprünglich ein Lagerhaus. Wie sich der Begriff im Mediengewerbe verloren hat, ist nicht näher überliefert. Aber man kann es sich zusammenreimen, und dies gilt für das Fernsehen wie für das Radio, erst recht für Gedrucktes: Ein Magazin enthält immer das, was nirgendwo anders, heißt es nun Politik, Kultur oder Wirtschaft, Platz findet. Mit anderen Worten: Liegengebliebenes und Aufgespartes, das einen besonderen Ort der Präsentation verlangt.
Bislang sind 222 Ausgaben des taz.mag erschienen, die erste Nummer am 27. September 1997 mit Mutmaßungen zum Thema Deutschland Ost und Deutschland West im Angesicht der Friedrichstraße. Es war das erste von gut zwei Dutzend monothematischen Heften, alle anderen sind nach dem Prinzip Wundertüte (das uns die Chefredaktion einzuhalten mit auf den Weg gab) zusammengebaut worden, eben so, wie es ein Magazin als Gemischtwarenladen verlangt: alles, was die taz.mag-Redaktion interessiert. Und immer hoffend, dass die Leserschaft deren Eindrücke teilt.
Was in eine Wundertüte passt, ist Woche für Woche auf das Angenehmste umstritten. Wie mischt man Politik und Kultur, Alltag und Abstraktes zu dem, was einen abwechslungsreichen Mix verspricht – zumal doch gilt, dass es für uns keine objektiv definierten Wichtigkeiten gibt: Ein Text über einen Bettler in der Berliner U-Bahn (der Mitte Januar erscheinen wird) kann mehr über die Hauptstadt und ihr Publikum sagen als ein exklusiv archivgestütztes Porträt Klaus Wowereits.
Oder: Ein reportagehafter Essay über das Leben in der Volksrepublik China kann die ideologischen Blindheiten der Antiglobalisierungsbewegung eher kenntlich machen als ein Aufsatz zur Gewalt an und für sich. Die taz.mag-Redaktion schätzt natürlich die Überraschung. Eine Geschichte beispielsweise über die peruanische Sängerin Yma Sumac, in der kürzlich nachzulesen stand, dass schon in den Fünfzigerjahren so etwas wie internationale Musik goutiert werden konnte: unbekannte, versunkene Welten, die nirgends sonst mehr zu finden sind – also bei uns.
Gern gelesen hätten wir auch ein, so wurde es angekündigt, Porträt des deutschvölkischen Advokaten Horst Mahler. Doch der Autor, der dies zu verfassen versprach, wollte sich mit früheren APO-Aktivisten partout nicht treffen, dafür lieber aus der sicheren Distanz seines Schreibtisches Allgemeinwütiges zu einem seiner Meinung nach doofen und verachtungswürdigen Mann schreiben. Wir haben das abgelehnt. Ohne Livekontakt, ohne Erfahrungsnachweis kein Platz im taz.mag.
Aber haben wir nicht wenigstens eine Faustregel? Doch, irgendwie. Sechs Geschichten enthält ein taz.mag. Zwei von ihnen sollen grünalternative Herzen freuen und andere ärgern (Tenor: warum es toll ist, anders als die anderen zu sein), zwei dieselben Gemüter ärgern und andere freuen (zum Beispiel: warum sich die Dritte Welt die Globalisierung ersehnt) und zwei Geschichten Abseitiges schildern (etwa: eine Nacht an einer Tankstelle in Meck-Pomm). Wir mischen weiter.
JAN FEDDERSEN, 44, ist Gründungsmitglied des taz.mag
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