: Was ist die Botschaft?
betr.: „Mutation zum Gutmenschen“ (Serie Designerreligionen: Dalai Lama und tibetischer Buddhismus) von Colin Goldner, taz vom 16. 7. 01
[...] Es gibt weder eine „übergeordnete spirituelle Leitlinie“ noch eine „Doktrin des Vajrayana-Buddhismus“; Terror gibt’s in Tibet natürlich nicht und die Chinesen sind eine bescheidene Minderheit, die den „Fortschritt“ brachten.
Buddhismus ist für mich eine Anleitung zur Geistesschulung, mehr psychologisch und philosophisch als religiös; Götter, „blutrünstige Geister und Teufel“ – im christlichen Sinne – gibt es nicht, sie sind Symbole, die eigentlich nicht notwendiger Teil der Lehren sind. Informationen darüber gab’s leider nicht. [...]
EDDI MAASS, Weilrod
[...] Dass Goldner den Dalai Lama nicht leiden kann, können wir noch hinnehmen, dass er aber seine Informationen ausschließlich aus der Yellow Press und Hollywood-Filmen bezieht und von euch den Raum zur Verfügung gestellt bekommt, uns das okkupierte Tibet als blühende pluralistische Landschaft zu verkaufen, ist schlicht unerträglich. Ihr wisst es doch besser! Wir lasen in der taz schon öfter über Menschenrechtsverletzungen in Tibet.
[...] BEATE & PETRA NIEHAUS, Berlin, Aachen
Colin Goldners Artikel beginnt mit einer erfrischenden Schau der Tibetophilie innerhalb der Esoterikszene, doch dann geht es plötzlich hoppplahopp: Bei der Beurteilung der ach so schönen, von den bösartigen Esoterikern & Seiner Heiligkeit angeblich ignorierten Idylle in der gegenwärtigen chinesischen Provinz Tibet hört meine Toleranz auf.
Auf die dreiste Behauptung, dass sich auf dem Dach der Welt eine „pluralistische Gesellschaft“ gebildet hat, die dann mit den „Fehlern“ (so die offizielle Parteilinie) der Kulturrevolution nichts mehr zu tun hat, ist wahrscheinlich jetzt sogar das chinesische Informationsministerium neidisch. Und auf die blödsinnige Polemik gegen den Vajrayana-Buddhismus auch – doch damit ist dann die direkte Brücke zur Kulturrevolution hergestellt. Als „abstrusen Glauben“ kann man den Vajrayana-Buddhismus eigentlich nur abhandeln, solange der Glaube an die geschichtliche Überwindung der Religion noch Losung des Tages ist (bzw. wenn man noch in den 70er-Jahren lebt). Als aufgeklärter Nichtbuddhist meine ich: So einfach können wir es uns mit der Religion im Allgemeinen und dem tibetischen Buddhismus im Speziellen auch wieder nicht machen. [...]
HEINZ WERNER WESSLER, Troisdorf
[...] Was ist die Botschaft? Die 300.000 bis 500.000 Anhänger des Buddhismus beziehen ihre Information und Motivation aus dem Journal für die Frau, dem dumpfen Halbwissen einiger Promis, der Bild-Zeitung, die über Scorseses „dokumentarischen Kundun“ schwelgt und dem abstrusen Glauben des gestrigen Dalai-Lama. Mindestens unterliegt Goldner damit der weit verbreiteten Fehleinschätzung, den tibetischen Buddhismus mit „Buddhismus“ gleichzusetzen, wovor Ludmilla Tüting nebenan warnt.
Weit schlimmer ist jedoch die Ignoranz, mit der Goldner verkündet, Tibet (als Teil von China) sei „heute eine pluralistische Gesellschaft, Menschenrechtsverletzungen beziehen sich auf längst nicht mehr aktuelles Geschehen“. Wahrscheinlich sind alle Menschenrechtsgruppen wie amnesty international (die „Tibet Initiative Deutschland“ sowieso) als „ahnungsloses Westpublikum“ den „folkloristischen Ausschmückungen“ des tibetischen Buddhismus erlegen, die ihre Sympathie hinter der politischen Forderung nach „Free Tibet“ auf dem Kofferraumdeckel verstecken. Leider fällt die Ignoranz nicht nur auf den Verfasser zurück, sondern auch auf die Zeitung, die solches als wohlrecherchierte „Aufklärung“ veröffentlicht. [...] STEFAN KIRCHNER, Plochingen
Ich war unlängst für mehrere Wochen in Tibet und konnte feststellen, dass das von exiltibetischer Seite aufgezogene Horrorszenario eines unterdrückten und geknechteten Volkes so nicht stimmt. Es gibt viele Menschen, die um den Tempel herumpilgern und sich alle paar Meter auf den Boden werfen, aber es gibt auch viele, gerade junge TibeterInnen, die sich um Religion überhaupt nicht scheren. [...] Tibet – wie China selbst schon längst – scheint in der Tat auf dem Weg zu einer pluralistischen Gesellschaft. Der Dalai Lama will das alles nicht sehen. Es passt ins Bild, dass er sich bislang noch nicht einmal in den exiltibetischen Kommunen hat demokratisch legitimieren lassen, obwohl er immer von Demokratie daherredet. DANIEL SLEZAK, München
Leider wird in dem Beitrag die Aggressivität des buddhistisch/tibetischen UnterstützerInnen-Spektrums nur recht vorsichtig dargestellt. Seit der Veröffentlichung der kritischen Studie „Dalai Lama – Fall eines Gottkönigs“ sind sowohl unser Autor Colin Goldner als auch der Verlag einer Kette von Beschimpfungen und Bedrohungen ausgesetzt. „Das Buch über ‚Seine Heiligkeit‘ “, so eine der zahllosen Zuschriften, „kommt aus dem Hirn eines Kranken“. Um dann friedfertig hinzuzusetzen: „Ihre (Goldners) Zeit ist vorbei. Sie werden dafür bezahlen. Tod dem Verräter!“ [...]
Anderweitig wurde unser Autor bedroht, er werde das folgende Jahr „nicht mehr erleben“. Wie um diese Drohung zu unterstreichen, wurde ihm kurze Zeit darauf ein Päckchen mit einem halbverwesten Huhn zugesandt. Während diese besonders erleuchteten Zeitgenossen anonym blieben, sind die geistigen Brandstifter bekannt: In Tibet Forum wurde Goldners Buch mit dem Nazi-Hetzblatt Der Stürmer verglichen, das Budhhistenmagazin Ursache & Wirkung beschimpfte den Autor als Neonazi und Rassisten. In einem ersten Urteil wurde immerhin diese üble Beschimpfung verboten, das betreffende Heft musste eingezogen werden – nähere Infos unter www.miz-online.de/spezial/ursache.htm).
Es gibt also keinen Grund, denen auch nur ein Wort zu glauben, die jetzt vielstimmig versichern werden, Goldner habe den tibetischen Buddhismus und den Dalai Lama völlig falsch verstanden. [...] GUNNAR SCHEDEL, Alibri Verlag, Aschaffenburg
Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen