Was fehlt …: … mehr Porträts von Obdachlosen
Ein unter dem Künstlernamen Muchiri Frames bekannter kenianischer Fotograf spazierte – auf der Suche nach Inspiration – durch einen Park in Nairobi, als er „Blackie“ traf. Blackie heißt eigentlich Sammy und ist obdachlos. Er fiel dem Fotografen auf, weil er teilnahmslos auf einer Wiese lag, während die Männer um ihn herum lachten. Auf Nachfrage berichtete Blackie von Zahnschmerzen. Der Fotograf verwickelte ihn in ein Gespräch. Er fragte den Obdachlosen, ob er schon mal verliebt gewesen sei. Daraufhin soll Blackie gestrahlt haben. Und von seiner großen Liebe Virginia erzählt haben, auch sie obdachlos – und jung wie Blackie. Der Fotograf beschloss, der von vielen Hürden gekennzeichneten Liebe der beiden ein Zeichen zu setzen. Er machte ein aufwendiges Foto-Shooting von Blackie und Virginia: zunächst so, wie sie sind, und dann noch einmal, nachdem sie von Stylisten und Kosmetikern stundenlang aufgehübscht worden waren.
Entstanden sind Bilder wie aus einem Tommy-Hilfiger-Katalog. Der Fotograf schreibt auf seiner Website: „Unter Dreck, lumpiger Kleidung und undeutlicher Sprache kommen wunderschöne Individuen zum Vorschein, die aufblühen würden, bekämen sie nur die Chance.“ Sein Fazit nach dem Shooting: „Liebe diskriminiert nicht.“ Zugegeben: Etwas pathetisch ist das schon. Und kitschig – Valentinstag war Anlass für das Shooting. Die Nachher-Bilder sind maßlos übertrieben, fast meint man, die dicke Schicht von Haarspray fühlen und eine Parfümwolke riechen zu können. Doch die Idee ist gut. Denn Fakt ist doch, dass Wohnungslose viel zu selten porträtiert werden. Sicher liegt es auch daran, dass Obdachlosigkeit in den Köpfen vieler Menschen nach wie vor ein gesichtloses Phänomen ist. (taz/lwag)
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