■ Warum vom G-7-Gipfel in Köln nicht viel zu erwarten ist: Gründe für einen Globalisierungsgipfel
Beim Kölner G-7-Gipfel werden wir Bekanntes hören: wohlklingende Statements über die allgemeine Gesundheit der Weltwirtschaft, besorgte Lippenbekenntnisse über die Folgen der Globalisierung – und wenig Konkretes. Vieles spricht dafür, daß in Köln erneut die Chance verpaßt wird, die Probleme der globalisierten Wirtschaft in Angriff zu nehmen. Die gegenwärtigen Vorschläge zu einer veränderten internationalen „Finanzarchitektur“ sind nützlich, aber unzureichend. Dasselbe gilt für die Idee, die Schulden der ärmsten Länder zu vermindern.
Man gibt sich selbstzufrieden. Die globale Finanzkrise scheint beendet. Ängste, es könnte Brasiliens Wirtschaft treffen, schwinden. Rußland scheint irgendwie vom ökonomischen und sozialen Desaster verschont geblieben. Kurzum: Das Weltwirtschaftssystem scheint gesund zu sein.
Nichts ist falscher als das. Asien steckt noch immer in der Flaute. Brasilien ist gerade erst aus dem Schlimmsten heraus. Rußland spielt nach wie vor in der internationalen Wirtschaft überhaupt keine Rolle. Und die Verheerungen, die die Krise den Menchen beschert hat, dauern an. Weltbank-Präsident Wolfensohn meinte, die Finanzkrise sei zwar vorbei, ihre Wirkungen auf Entwicklungsländer aber seien langfristig. Vielleicht haben sich die Märkte bereits erholt, die nationalen Ökonomien aber brauchen dazu mehr Zeit – ebenso wie die Menschen.
Die internationalen Entwicklungsziele aller G-7-Regierungen versprechen eine Halbierung der Armutsziffern bis 2015, die Reduzierung der Säuglingssterblichkeit in den ärmsten Ländern um zwei Drittel und eine Basisschulbildung für alle Kinder. Doch gleichzeitig wird immer weniger Geld für Entwicklungshilfe ausgegeben. Die Finanzkrise hat die Regierungen gezwungen, die Sozialausgaben daheim in dem Moment zurückzufahren, in dem sie am meisten gebraucht werden. Die Folge: Es gibt wachsenden Widerstand gegen die Globalisierung in Industrie- und Entwicklungsländern. Das ist bedenklich, denn die Sirenengesängen, die mehr Protektionismus und weniger internationale Kooperation verheißen, werden uns in die Irre führen.
Was tun? Der Vorschlag des französischen Präsidenten Chirac auf einem repräsentativen, globalen Gipfel eine tiefe Reform des Weltwirtschaftssystems zu diskutieren, ging in die richtige Richtung. Leider stieß er bei den Chefs der G 7 auf wenig Echo.
Noch haben die G-7-Chefs eine Atempause, die sie vor allem der spektakulären Zugkraft der US-Wirtschaft zu verdanken haben, die ein weltweites Wachstum angeregt hat. Doch wie lange wird dies andauern? Gerade lange genug, glauben wir, um produktivere internationale Diskussionen über Nutzen und Kosten einer sich globalisierenden Weltwirtschaft zu führen.
Dazu braucht man, was Chirac andeutete: einen echten Globalisierungsgipfel. Denn Fortschritt, der mehr ist als nur numerisches Wachstum, wird effektive politische Entscheidungen auf höchster Ebene erfordern. Die existierenden Mechanismen sind ungeeignet: Die Mitgliedschaft in der G 7 ist zu begrenzt, die jährlichen Treffen der Weltbank und des IWF zu sehr dominiert von reinen Finanzthemen, und die UNO ist ein zu großer Rahmen.
Vor Ende nächsten Jahres gibt es vielfältige Möglichkeiten, einen Globalisierungsgipfel zu beschließen. Chiracs Vorschlag für ein Treffen in diesem Herbst könnte sich um Themen jenseits von Finanzen drehen. Es könnte mit dem nächsten G-7-Treffen in Japan verbunden werden, oder Teil der UN-Vollversammlung zur Jahrtausendwende werden.
Vor der nächsten Finanzkrise sollte sich eine repräsentative Gruppe von zwei Dutzend Regierungschefs aus G-7-Ländern, Wachstums- und Niedrigeinkommensländern treffen, um die Globalisierung allgemein und insbesondere die Frage, wie ihr Nutzen maximiert und die Kosten minimiert werden können, zu diskutieren. Denn noch ein G-7-Treffen mit vorgestanzten Kommuniqués ist das Rezept für ein gefährliches Abdriften der Weltwirtschaft.
John W. Sewell/Michael H. C. McDowell
Sewell ist Präsident, McDowell Mitarbeiter des „Overseas Development Council“, eines Forschungsinstituts für Politik in Washington D.C. –
Aus dem Englischen von Johannes Metzler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen