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■ Warum es mit der Medienpräsenz nicht klapptSaris passen nicht zur Lederhosenästhetik

„Wie bitte? Könnten Sie das buchstabieren?“

„Ypsilon, O wie Otto, Georg, Emil, Susanne, Heinrich, Walter ...“ An manchen Tagen muß ich es am Telefon dutzendemal herunterbeten – Redaktionsalltag in einem Land, wo jeder weiß, wie man Müller schreibt. Beim Durchforsten meiner Post wundert es mich manchmal, wie das Schreiben überhaupt bis zu mir gefunden hat; und dabei hatte ich doch alles genau buchstabiert. Manchmal schneide ich besondere Kreationen aus und klebe sie an mein Türschild – Mutation meines Namens. Genetik der Buchstaben, ich bin Wissenschaftsjournalist.

Vielleicht spielt dieser Bereich für meinen Werdegang eine weit wichtigere Rolle, als ich es mir zugestehen möchte. Wissenschaft war immer schon eine Leidenschaft von mir, aber weit wichtiger: Wissenschaft umgibt sich mit einem Nimbus der Objektivität. Das Gesetz der Schwerkraft besitzt keine Nationalfarben. Alle Körper fallen gleich schnell – egal wo und gleich wer sie fallen läßt. Vielleicht akzeptiert man daher einen dunkelhäutigen Physiker, der im Fernsehen über Newton spricht, eher als eine dunkelhäutige Politikwissenschaftlerin, die sich im Fernsehen über das Wirtschaftswachstum ausläßt. Die Wirtschaften der verschiedenen Länder wachsen nicht gleich schnell, nix egal, auch nicht die Farbe.

Ausländer in den Medien? Man findet einige, wenn man sucht. Manche sehen auch bloß so aus und entpuppen sich dann als Berliner Junge oder als kölsch Mädsche, für die ein subjee genauso ein Fremdwort ist wie für Frau Müller, die soeben auf ihre Fernbedienung gedrückt hat. Der Vorspann des Musikantenstadels – präsentiert von Chitra Krishnan Kutti. Seine Saris passen in diesem Lande nun mal nicht zur quotentreibenden Lederhosenästhetik, aber es gibt zum Glück ja noch andere Programme. Ausgewogenheit – man hat die Wahl. Nur wir haben nicht das Wahlrecht, und daher scheint es nur konsequent, daß wir uns da raushalten. Erst anmelden, dann einschalten – erst einbürgern, dann ... Medien sehen sich gerne als unabhängige Instanz, doch sie sind es nicht, sie spiegeln ihr Umfeld wider.

Mit meiner bescheidenen Wissenschaft habe ich Glück gehabt. Man läßt mich machen, und bei meinem WDR fühle ich mich nicht als „der Ausländer“. Wohl witzelt man mal vereinzelt im Studio – meine dunkle Haut kostet den Kameramann zwei Blenden, doch die Technik wird immer besser. Die neuen Chipkameras sind ausgesprochen ausländerfreundlich, und regelmäßig bekomme ich von der Maskenbildnerin ein Kompliment: Bei diesem Hautteint braucht man kaum Schminke! Ab ins Studio! Als es in Solingen brannte, hatte ich am nächsten Tag Sendung: „Kopfball – ein Spiel für die ganze Familie“. Sie hatten Menschen verbrannt.

„Wenn Sie Lust haben, dann spielen Sie mit.“ Wer vor einer Fernsehkamera steht, weiß nicht, wer zusieht. Ob „Sie“ wohl auch unter den Zuschauern waren? – Gewonnen, das Lösungswort lautete „Oberflächenspannung“. Ausländer und Medien – Oberflächenspannung. Ranga Yogeshwar

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