■ Warum die Rechtschreibreform nicht viel taugt: Das Ende des Duden-Monopols
Der Streit um die Rechtschreibreform erinnert an die Diskussion um die neuen Postleitzahlen: Alle redeten davon, daß die angebliche Vereinfachung keine ist. Drei Jahre später funktioniert alles wie gehabt: nicht besser, aber auch nicht schlechter. Ähnlich wird es mit der Rechtschreibreform: Nichts wird schlechter. Besser aber leider auch nicht. Denn die vollmundig angekündigte Reform erscheint eher als ein Reförmchen.
Statt die deutsche Rechtschreibung neu zu definieren, wie etwa durch eine konsequente Kleinschreibung oder den Wegfall des „ß“, werden wieder nur Korrekturen vorgenommen, die wenig Erleichterung bringen. So entfällt das „ß“ nur bei der Unterscheidung von „das“ und „daß“ und wird durch ein Doppel-s ersetzt. Dadurch entfällt aber nicht die Überlegung, wann „das“ oder „dass“ geschrieben werden muß. Neue Regel für das „ß“ bei anderen Worten: nach langen Vokalen folgt weiterhin ein „ß“, wie bei „anmaßend“, während das mit kurzem Vokal gesprochene „Schloss“ fürderhin diese Schreibweise haben muß. Alles wird einfacher mit der Reform?!
Auch die Anpassung der Rechtschreibung an den allgemeinen Sprachgebrauch bringt nicht unbedingt die gewünschte Vereinfachung. Zwar entfallen dann über Jahrzehnte eingebleute Sinnsprüche wie: „Trenne nie das s vom t, denn es tut ihm weh.“ Sinnsprüche lassen sich durch geschickt eingefügte oder weggelassene Worte leicht umwandeln und neu lernen. Aber wie erklärt man der mit der neuen Rechtschreibreform groß gewordenen Generation, daß die dann gängige Schreibweise von „bläuen“ nichts mit der Farbe zu tun hat, weswegen sie uns ganz schön belemmert, Verzeihung, belämmert ansehen wird. Wobei wiederum Lämmer mit der Herkunft des Wortes nicht das geringste zu tun haben. Da bleibt nur die Hoffnung, daß das Herkunftswörterbuch des Dudens eine verständliche Ableitung findet.
Wenn es dann überhaupt noch auf den Duden ankommt. Denn die Rechtschreibreform verändert vielleicht nicht viel, gewiß aber eins: Das Monopol des Dudens ist gebrochen. Ist man nun mit einer Regelauslegung im Duden nicht einverstanden, guckt man einfach nach, was andere Regelwerke dazu schreiben. Steht dort etwas anderes und Genehmeres, kann man sich darauf berufen. Das nennen wir eine wirkliche und praxisnahe Veränderung der deutschen Rechtschreibung. taz-Korrektur
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