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■ Warum die PDS im Osten so erfolgreich istJa, der gute alte Antifaschismus!

Seit fast fünfzig Jahren hören wir von sensiblen Menschen aller Couleur, der Schoß sei fruchtbar noch, man müsse den Anfängen wehren und dürfe die Zeichen an der Wand nicht übersehen. Gebongt. Nun aber, gerade fünf Jahre nach dem Fall der Mauer, hören wir immer öfter, daß wir uns keine Sorgen um mögliche Nachwehen der zweiten deutschen Diktatur, die immerhin vierzig Jahre gedauert und zwei Generationen geprägt hat, machen sollten. Vor kurzem hat Erhard Eppler, der Albert Schweitzer der SPD, vor einem „Antikommunismus ohne Kommunisten“ gewarnt. Eben haben sich zwei verdiente Bürgerrechtler der Ex-DDR zu Wort gemeldet, um uns die Gründe für den Erfolg der PDS im Osten zu erklären. Es wäre die Marktwirtschaft, die Ungleichheit und Frust mit sich bringt, sagt Jens Reich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die „ungerechte Verteilung von Eigentum“, die „Nicht-Eigentümer“ und „bedrohte Besitzer“ der PDS zutreibt. Die Ost-Bevölkerung glaube, „daß sie ein Volk von Habenichtsen sind, die nichts zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft“.

Das muß früher, zu HO- und VEB-Zeiten, ganz anders gewesen sein. Da hatte jeder seinen Anteil an einem volkseigenen Betrieb und mußte nicht befürchten, enteignet oder, wie Reich sagt, „niederkonkurriert“ zu werden. Noch origineller ist die Erklärung Friedrich Schorlemmers in der Süddeutschen Zeitung. Nun sind wir von Schorlemmer allerlei Skurrilitäten gewöhnt, etwa der durchaus ernst gemeinte Vorschlag, die Stasi-Akten in einem Freudenfeuer zu verbrennen; doch diesmal übertrifft der Theologe aus Wittenberg sich selbst. Es wäre absurd, die Kommunismus-Angst zu schüren, meint er, „wo der Kommunismus doch seine Macht eingebüßt und auf erstaunlich friedliche Weise den Machtlöffel abgegeben hat“, die „Angst ums Eigentum“ lasse das „Gespenst des Kommunismus durch die Medien reiten“. Bei Schorlemmer sind es die Westler, die um den Verlust des Eigentums fürchten und deswegen Gespenster auf die mediale Rennbahn schicken. Im Osten dagegen spürt man, so Schorlemmer, „daß in dieser Demokratie das Privateigentum das höchste Gut ist und der bezahlbare Anwalt faktisch Recht ersetzt“. Und einige würden radikal, „wenn sie hören, wie deutsche Richter einem Rechtsextremen lobende Worte für lautere Absichten und damit ein mildes Urteil attestieren“. Soll heißen, manche Ossis wählen die PDS, weil sie das Mannheimer NPD-Urteil so empörend finden.

Ja, der gute alte Antifaschismus wirkt noch immer! Das wenigstens bleibt uns als Trost, auch wenn der Kommunismus den Machtlöffel abgegeben hat, die vormaligen Brandstifter freiwillige Feuerwehr spielen und Friedrich Schorlemmer als real existierendes Gespenst durch die Medien reitet. Henryk M. Broder

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