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■ Warum die Durchsetzung des Tabakwerbeverbots ein Erfolg istRauchzeichen aus Straßburg

Erwartungsgemäß hat das Europaparlament das Werbeverbot für Tabak bestätigt. Damit kann der Bann für Marlboro-Cowboy und HB-Männchen, denen allerdings großzügige Übergangsfristen eingeräumt werden, bald rechtskräftig werden. Geht es also den Zigarettenfirmen an den nikotingelben Kragen? Ist die Mutter aller Schlachten gewonnen, wird der Tabakepidemie zumindest langfristig Einhalt geboten? Wohl kaum. Die Dinge sind kompliziert.

Zunächst: Einige durchaus aufrichtige Anti-Tabak-Kämpfer haben ironischerweise vor der Verabschiedung des Werbeverbots gewarnt, weil es in dieser Form juristisch nicht haltbar sei. Zugleich erklären Wissenschaftler, daß in einigen Ländern mit Werbeverbot die Raucherzahl keineswegs gesunken sei. Kein Wunder, sagen die Gegenwissenschaftler, wenn das Werbeverbot durch die Nachbarländer ständig unterminiert werde. Und während die Weltgesundheitsorganisation das Werbeverbot unterstützt, weil die Raucher mit ihren Krankheiten Milliarden kosten, unterstellt die Deutsche Ärztekammer genau das Gegenteil: Sie argumentiert, Kassenwart Waigel sei gegen das Werbeverbot und für das Rauchen, weil durch den Glimmstengel-Abusus die Leute schneller wegsterben und damit die Rentenkasse entlasten.

Komplettiert wird das Chaos durch Spekulationen, daß der Tabakindustrie das Werbeverbot vielleicht nicht mal ungelegen kommt. So bleiben die Märkte gesichert, weil sich ein neuer Konkurrent ohne Werbung niemals durchsetzen und bekannt machen kann. Geht es nach der Phonstärke des Wehklagens, dann sind ohnehin die deutschen Zeitungsverleger die eigentlich Geschlagenen. Die „dirigistischen Beschneidungen der EU-Bürokraten“ bedrohen nicht etwa ihren Geldbeutel, sondern „die Pressefreiheit“.

Schiebt man das ganze argumentative Chaos einmal beiseite, dann bleibt das Werbeverbot vor allem ein symbolischer Akt, eine Demonstration – mit allerdings spektakulärer Ausstrahlung. EU-Parlament und -Kommission haben sich dazu durchgerungen, und das ist der eigentliche Erfolg, die Gesundheit über die Wirtschaft zu stellen. An diesem einen Punkt der Tabakwerbung wurde endlich das ökonomische Primat durchbrochen, und das kann nicht hoch genug bewertet werden. Wenn jetzt noch die vier Milliarden Mark Subventionen zurückgefahren werden, mit denen die EU jährlich die europäischen Tabakbauern unterstützt, dann bekäme die Symbolik sogar noch eine materielle Grundlage.

Manfred Kriener

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