: „Warum bekommt der mehr?“
PFLEGE Roswita Ewert ist Krankenschwester in einer ambulanten Pflegestation. Doch für die gleiche Arbeit bekommt sie noch lange nicht das gleiche Geld
BERLIN taz | Sie verbindet offene Beine, gibt Spritzen und salbt verkrustete Hände. Sie hebt bettlägerige Frauen in die Badewanne und putzt alten Männern den Hintern ab. Acht Stunden am Tag, viermal in der Woche. Dafür bekommt Roswita Ewert* im Monat 2.134,28 Euro brutto. Die 58-Jährige ist Krankenschwester und arbeitet in Berlin in einer ambulanten Pflegestation. Sie hat neun Kolleginnen und vier Kollegen, einer der Männer ist ihr Chef. Zwei Kollegen sind Mitte 40 und wie sie seit einigen Jahren bei dem kleinen privaten Unternehmen angestellt, der dritte ist 27 Jahre alt und gerade mit seiner Ausbildung fertig geworden.
Ewert weiß, dass sie in einem schlecht bezahlten „Frauenberuf“ arbeitet. Sie hatte sich damit abgefunden, weil ihr der Job „eigentlich Spaß macht“. Und bis zu jenem Montag vor ein paar Monaten hat sie nie darüber nachgedacht, dass sie vielleicht weniger verdient als ihre männlichen Kollegen. An „diesem Montag“ war sie mit einem der beiden älteren Männer allein im Büro. Er zog seinen Kalender aus dem Rucksack, dabei fiel seine letzte Lohnbescheinigung heraus, erzählt Ewert. Dabei sah sie einen Betrag: 2.278 Euro.
„Wir machen genau die gleiche Arbeit. Mein Kollege ist sogar jünger als ich und nicht ganz so lange da. Warum bekommt der mehr Geld als ich?“, sagt sie: „Nur weil ich eine Frau bin?“ Sie fragte ihren Vorgesetzten. Aber der wiegelte ab: Bei ihm bekämen alle den gleichen Lohn, egal ob Mann oder Frau. „Aber das stimmt nicht“, sagt Ewert. Sie erkundigte sich bei ihren Kollegen. Es gab keine objektiven Gründe für die Differenz – keine Überstunden, keine Kinderzulagen. Die Männer verdienten einfach mehr.
Eine Erhebung des Statistische Bundesamtes weist nach, dass Frauen in nahezu allen Berufen weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Krankenschwestern erhalten für einen Vollzeitjob durchschnittlich 2.656 Euro, Krankenpfleger 2.947 Euro. Auch bei den HelferInnen in der Krankenpflege fällt das Lohngefälle groß aus: Frauen verdienen durchschnittlich 2.130 Euro, Männer 2.410 Euro.
Als Ewert die Lohnungleichheit offen ansprechen wollte, drohte ihr Chef mit einer Kündigung. Deshalb will sie nicht, dass ihr echter Name in der Zeitung erscheint. Sie hat auch versucht, in einer anderen Pflegeeinrichtung unterzukommen. Aber dort bot man ihr noch weniger Geld an. SIMONE SCHMOLLACK
* Name geändert