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Warum Österreichs Jugend rechts wähltEvent-Politik statt echter Rebellion

Die Jugend in Österreich wählt rechts, aber sie sind keine Neonazis. Nun wird nach Erklärungen gesucht: Jenseits von Zorn und Wut bleibt das leere Aufbegehren.

Junge Wähler in Österreich mit Rechtspopulist HC Strache: Spaß haben. Bild: dpa

Vor einigen Wochen fragte Zeit-Feuilletonchef Jens Jessen händeringend: Wo sind Kritik und Protest der Jugend geblieben? Österreich hat ihm nun geantwortet. Bei den Nationalratswahlen hat die Jugend eine besondere Rolle gespielt. Das Wahlalter wurde auf 16 gesenkt, so dass die Gruppe der unter 30-Jährigen Wähler anwuchs. Ebendiese hat zu 43 Prozent rechts gewählt. Die 16- bis 19-Jährigen haben sogar zu 44 Prozent der Freiheitlichen Partei von Hans-Christian Strache sowie zu 3 Prozent dem BZÖ, Jörg Haiders neuer Partei, ihre Stimme gegeben.

Hier also sind Kritik und Protest gelandet. Man kann nicht sagen, dass diese Jugend zu angepasst sei, dass sie nicht aufbegehren würde. Nur - ihr Aufbegehren sieht etwas anders aus als erhofft. Damit ist übrigens nicht gemeint, es sähe nach Bomberjacken und Schnürstiefeln aus. Natürlich gehören auch Neonazis zur Gefolgschaft namentlich der FPÖ (sie ist sozusagen deren "natürlicher" Hort), doch sind sie nur ein Randphänomen der großen Wählermasse. Nicht 43 Prozent der österreichischen Jugendlichen sind Neonazis. Aber dennoch wählen sie extrem rechts. Wie sieht es also aus, dieses jugendliche Aufbegehren?

Peter Sloterdijk hat den Zorn als politische Ressource ersten Ranges ausgewiesen: ein wertvoller Rohstoff der Dissidenz, des Einspruchs, der in einem politischen Prozess verarbeitet, bewirtschaftet werden müsse. Slavoj Zizek hingegen sagt, dass in Zeiten der "Post-Politik" Wut nur noch als nichtkanalisierte Wut der Ausgeschlossenen in Erscheinung trete. Aus dem Symbolischen verbannt, würde sie im Realen wiederkehren - als "postmoderne Form ethnischer Gewalt".

In der kleinen Alpenrepublik zeigt sich jedoch (und sie ist damit bekanntlich nicht alleine), dass sehr wohl noch eine andere Form der politischen Emotionalität existiert. Jenseits von gehortetem Zorn und durchbrechender Wut gibt es noch ein Drittes: das leere Aufbegehren.

In Umfragen unmittelbar nach der Wahl, in Videoblogs und auf Homepages zeigt sich: Die große Mehrzahl der Jugendlichen wählte die FPÖ nicht wegen ihrer rechten Inhalte. Sie wählten sie wegen der Attraktion ihres Spitzenkandidaten. Und es war nicht sein Blockwartcharme, der sie anzog. Seine Attraktion verdankt sich vielmehr dem Image: frech, aufmüpfig, Discogeher. Kurzum - die Summe aller langerzeugten Jugendattribute ohne Inhalt. Ein Aufbegehren ohne Richtung. Hauptsache, es sieht gut aus. Groupiepolitik gewissermaßen.

Dass es dabei sehr wohl eine politische Richtung scharf rechts gibt, geht in einer allgemeinen Jugendlichkeitsbeschwörung unter. So können die Rechten dieses rebellische Potenzial ausnutzen, während die eigenen Abteilungen "Jugendpolitik" der anderen Parteien daneben alt aussehen. So kann der rechte Kandidat (mit seinen Initialen HC) als Che posieren ("HC statt Che" lautet der entsprechende Slogan, begleitet von der Hymne "Viva HC").

Der Rückgriff auf rebellische Signale - egal woher sie kommen - zeigt einerseits, dass die Gleichsetzung von Jugendlichkeit und Rebellion intakt ist. Andererseits aber zeigt sich gerade an der Entleerung dieses Begriffs, um welche Art von Rebellion es sich hier handelt. Es ist dies nicht die jugendliche Sehnsucht nach Revolution als Verdichtungsmoment eines grundlegenden Bruchs, aus dem etwas Neues entsteht.

Es ist auch nicht die Sehnsucht nach dem Ereignis, im Sinne Alain Badious, bei dem der einzigartige und unvorhersehbare Einschnitt, die Verschiebung aller bisher gültigen Parameter, durchaus auch regionaler Art - in der Kunst, in der Liebe ebenso wie in der Politik - sein kann. Diese Rebellion hingegen entspricht einer Sehnsucht nach dem jugendlichen Event, das eben kein Ereignis, keine Veränderung, sondern nur eine Unterbrechung des Alltagskontinuums ist. Eine Unterbrechung, die in der "Erlebnisgesellschaft" auf Dauer gestellt werden soll.

Rechte Politiker beantworten diese Sehnsucht, indem sie eine rabiate (Strache) oder mittlerweile etwas temperierte (Haider) Event-Politik anbieten. Sie scheinen das Event-Politische so überzeugend zu verkörpern, dass sie viele Jugendliche anziehen, die sie nicht wegen - aber sehr wohl trotz - ihrer rechten Inhalte wählen. Leere Rebellion und extrem rechte Politik können, wie man sieht, problemlos konvergieren. Dies ist keine notwendige Folge der vielbeklagten Mediokratie, der Medialisierung der Politik. Aber es ist eine unheilvolle Verstärkung ihrer schlechtesten Tendenzen.

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4 Kommentare

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  • UK
    Ulrike Kruh

    Die österreichischen Parlamentswahlen haben während der immer grösseren globalen Finanzkrise stattgefunden. Gewonnen haben die Rechten (FPÖ und BZÖ) mit absoluten Zugewinnen von je ca. 7 % und die Sozialdemokraten, weil sie trotz gebrochener Versprechen davor die relative Mehrheit erringen konnten. Diese Wahlentscheidungen gehen offenbar auf ein gesteigertes soziales Sicherheitsbedürfnis zurück. Die Rechten versprachen beruhigende aktive Zuwendungen ohne auszuweisen, welche strukturell-politischen Änderungen dafür notwendig wären, und ohne die persönlichen Ressourcen für Politik überhaupt zu haben. Ihre Wähler (= knapp 30 %) befürworteten, verdrängten (oder wussten nichts über) deren braune Wurzeln. Soziale Gerechtigkeit ist ein Grundwert der Sozialdemokraten (knapp 30 %), sie wurden daher gewählt, obwohl vorher ein völliger Versager (Gusenbauer) am Ruder war. Für den Erfolg der Rechten bei der Jugend gibt es zwei ganz konkrete Gründe: 1. Politische Bildung ist in den österreichischen Schulen nur Freifach. Nur wenige Jugendliche sind politisch interessiert und gebildet. Ein "klasser" Kandidat, der auf jung tut, ist in Zeiten des medialen Starsystems daher attraktiv. 2. Dieser Kandidat hat die tribalen Instinkte angesprochen. Wie Benjamin Barber in "Djihad versus McWorld" (1995) so treffend ausführt, finden die Auseinandersetzungen des 21. Jahrhunderts zwischen einem blutigen Tribalismus (der Fundamentalisten und Nationalisten aller Religionen und Lager) und einer blutleeren Profitwirtschaft statt. Es ist also genau das Gegenteil des Zizek-Zitates im Artikel, die Wut der Jugend ist sehr wohl kanalisiert worden, sie hat den Kanal der rechten Partei(en) gefunden. Die entwicklungspsychologische Erklärung jung sein = Rebellion befürworten ist ein Gemeinplatz und erklärt wenig, dass man um überhaupt ein "ICH" aufbauen zu können, eine Zeitlang gegen etwas sein muss, hat schon Sokrates gewußt. Abschließend kritisiere ich noch die verquaste Sprache der Verfasserin, was sind "langerzeugte Jugendattribute" und wie kann ein "Bruch" ein "Verdichtungsmoment" haben? Das ist Getue. Bitte weniger Worthülsen und mehr Analyse.

  • MB
    Mischa Barton

    Ich finde es krass, dass die Jugend wählt wen sie am sympatischtesten findet. Die Jugend müsste viel besser aufgeklärt werden! Es ist einfach ein Skandal, dass fast die hälfte der Jugend rechts wählt , obwohl sie keine neonazis.

  • A
    anke

    Die permanente (wenn nicht penetrante) Aufforderung der Generation Jessen an die ihrer Kinder, nun doch bitte endlich zur Rebellion zu schreiten, ist unter den gegebenen Umständen nicht lächerlich sondern gefährlich.

     

    Nein, die "Jugend von heute" hat anno 2008 keinerlei Angst vor der eigenen Courage. Weder in Österreich, noch in Deutschland oder sonst irgendwo. Diese Angst allerdings hatte auch keine Jugend früherer Zeiten. Es fehlt den Jungen (und Mädchen) schlicht an schmerzhafter eigener Erfahrung. Die in den letzten Jahrzehnten immer weiter liberalisierte Erziehung und Bildung hat den ohnehin vorhandenen Hang junger Leute zur Sorglosigkeit nur partiell verstärkt, nicht begründet. (Da, wo sie nicht stattgefunden hat, ist die Angst zwar noch immer groß, die Aggressivität aber ist größer.)

     

    Jugendliches Aufbegehren läuft momentan überwiegend leer, das scheint richtig. Zum Glück, muss man wohl sagen. Daraus nun aber zu schlussfolgern, man müsse an der Bildungs- und Erziehungsfront schleunigst wieder stärkere Geschütze auffahren, wäre ein Fehler. Noch gibt es genügend Gelegenheiten, sich zu reiben. Für jugendliche Möchtegern-Rebellen genau so, wie für alternde. Sie werden bloß nicht genutzt. Auch für junge Leute ist es allemal lohnender, sich als Clown getarnten Rattenfängern wie Haider an den Hals zu werfen oder innerhalb des Systems Karriere zu machen, als wieder und wieder gegen Gummiwände zu laufen. Das (ewig) jugendliche Ego scheint noch allemal lieber seine Energie nach unten zu kanalisieren und dadurch Auftrieb zu gewinnen, als dass es sich auf dem zähen Marsch durch die Instanzen die schicken goldenen Hörner ruinieren möchte.

     

    Wenn man der Elterngeneration des Jens Jessen einen Vorwurf machen kann, dann ist es der, sie wären der Jugend kein brauchbares Vorbild gewesen. Nicht bloß das Aufbegehren der Jungen läuft leer, sondern auch die Kampf-Rhetorik der Alten. Sie haben sich dermaßen kommod eingerichtet im warmen Stall, dass ihern Kindern sämtliche Protestinhalt abhanden gekommen sind.

     

    Und nun? Tja, keine Ahnung. Ich nehme an, die Mächtigen werden über kurz oder lang in die Bresche springen. Das haben sie schließlich noch jedes mal getan. Um die Jugendrebellion ist mir nicht bage. Die Inhalte werden sich finden.

  • B
    BADGIRLS_LILLY

    Mir scheint das rechts im Foto abgeschnittene und nicht ganz lesbare Banner "Asylbetrug ... Heimatflug" der Schlüssel zu sein. Das mit dem Mittelstand ist nur ein Lockmittel, auch ein Ornament, um die Kernmotive nicht gar so offensichtlich werden zu lassen. Ich war schon 'ne Weile nicht mehr in Österreich, aber schon vor ein paar Jahren gab es dort eine "Türkenangst" und allg. Furcht vor Immigrant_innen aus islamischen, aber auch aus osteuropäischen Ländern, sogar bei Menschen, bei denen ich es echt nicht vermutet hätte.

     

    Pervers finde ich geradezu, dass viele im sogenannten Mittelstand einerseits von billigen (oft sogar gar nicht ganz legal beschäftigten) Arbeitskräften profitieren, z. B. am Bau und in der Gastronomie, zugleich aber auf Immigration schimpfen - freilich nicht nur in Österreich, auch anderswo in Europa (z. B. in Deutschland) aber auch in Nordamerika und Australien.